Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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39. Aus der Provence. 
die ihn unvergänglich durech Völker und Zeiten geleitet. Zwar ist 
seine Gestalt oft bemängelt worden; das Urteil früherer Reiseonden 
lautet nicht selten sogar verächtlich. Man heilst ihn dürftig; der 
vielberufene sei nichts als eine buschige MWeide, aber ohne die 
reizende Beweglichkeit, ohne das saftgrüne Laub derselben. Und 
es ist wahr, wenn man die Olive etwa zuerst bei Avignon erblickt, 
ist der Eindruck eben kein anmutender; in Reihen gepflanzt nach 
Art unserer Sauerkirschbäume stehen sie wie kalkbestaubt in den 
Gãrten. Aber man verfolge sie weiter, man sehe sie in den öden 
Heiden der Orau, man sehe sie bei NMarseille, bei Hyères, um end- 
lich bei Cannes, Mentone, Ventimiglia u. s. w. in den eigentlichen 
Olivengũrtel einzutreten. Denn vornehmlich liebt dieser Baum doch 
die Hügelgelände der Küste, und er gedeiht da selbst auf steinigem 
Grunde. Ist nun freilich das junge mattgraue Blatt und die weils- 
liche Blütenrispe ziemlich unscheinbar und auch die schlehenähn- 
liche Frucht nur eine bescheidene Zierde, so bietet dennoch der 
Olbaum in der Vollendung seines Wuchses ein Bild eigentümlicher 
Schönheit. Ja er ist vielleicht, von der edlen Kastanio und der 
Pinie abgesehen, der malerischste allor Bàume der gemässigt warmen 
Zone, das Entzücken jedes formsinnigen Beschauers. Besonders die 
aälteren Stämme sind von wahrhaft monumentalem Charakter. Denn 
in der That möchte das Auge manchmal zweifeln, ob, was es da 
erblickt, Stein, ob Erz sei. Dieses Loch und diese Löchlein mitten 
im Stamme — sieht es nicht aus, als seien sie im Laufe der Jabr- 
hunderte von Myriaden niederfallender Regentropfen genagt? Und 
doch nirgends, soweit du gehen magst, findest du einen hohlen oder 
wenigstens morschen Baum, denn alles an ihm erscheint unzerstör- 
bar. Wo er, wie oft, in der Ruine eines Kastells, einer verfallenen 
Olmühle oder auf irgend einem Trümmerhaufen steht, da ist dann 
der Eindruck felsartig bis zur Täuschung. Selbst das lange Gehäng 
der Zweige ist straff und fest, nirgends ssehwankend oder bröckelnd. 
Man nehme hinzu, dass der Stamm fast immer und unmittelbar 
über der Wurzel sich teilt und immer einer mit dem andern sich 
wieder verklammert und verwächst, so dals das Ganze eben eins, 
gleichsam ein Bündel von Stämmen ist, das sich vielfüssig aus dem 
Boden hebt. Sah ich doch einen Olbaum, der in acht Stämme aus- 
einanderging; um das ganze mächtige Gewächs zu umkreisen, ge- 
nügten bei genauester Messung kaum zwanzig Schritt. — Bedarf 
es noch des ausdrücklichen Hinweises darauf, dass an eben diesem 
Baum in den Ländern um das Mittelmeer ber sich einst der An— 
fang aller Kultur knüpfte? dass in der schönsten Weise der 014 
baum die unverletzliche Grenze des Besitzes und des Bechtes vor 
Augen stollte?
	        
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