Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

IV. Neuhochdeutsche Litteratur. 
auch Liebe und Leid, Scheiden und Wiedersehen entgegen. Da singen 
die Studenten: „Du freies Bursenleben, ich lob dich für den Gral“, 
und die Landsknechte sehen mit lustiger Verachtung auf jedes widrige 
Geschick; bleibt die Löhnung aus, so laufen doch überall die Hühner 
und Gänse herum, und die freien Reiterknaben trinken viel lieber kühlen 
Wein als Wasser aus dem Brunnen. 
Neben den größeren finden sich auch kleinere Volkslieder Vier— 
zeiler, Schnaderhüpfel oder Rundäs), die nicht bloß in den Alpenländern, 
sondern in allen Gegenden Deutschlands noch heute im Volksmunde leben. 
Dem Volksliede verdanken vielfache Anregung die Dichter Claudius, 
Bürger, Goethe, Uhland, Heine, Kerner, Eichendorff, Hoffmann von 
Fallersleben, Geibel u. a. 
IV. PVruhvochdeulsche Likkeratur. 
A. Von Luther bis Klopstock (1500 —- 1748). 
Die gleichen Übelstände, die einem Aufschwung der deutschen Litte— 
ratur hindernd in den Weg traten, bestanden auch noch im 16. Jahr— 
hundert fort. Nichtsdestoweniger beginnt für diese mit dem öffentlichen 
Auftreten Martin Luthers (II, 89) eine neue Zeit; denn er nahm nicht 
nur an der neuen geistigen Strömung den lebhaftesten Anteil, sondern 
übte zugleich auch einen belebenden und umgestaltenden Einfluß auf 
Schrifttum und Sprache aus. Wie er die Volksschule ins Leben gerufen 
und den evangelischen Gemeindegesang geschaffen, so hat er durch seine 
Bibelübersetzung der deutschen Litteraätur eine Schriftsprache gegeben, 
die nach und nach zu allgemeiner Geltung gelangte. 
Wohl wurden in Süddeutschland schon um 1300, in Mittel- und 
Niederdeutschland seit etwa 1850 alle Rechts- und Verkehrsurkunden 
nur in deutscher Sprache ausgestellt; doch bestanden nebeneinander die 
kaiserliche Kanzlei- oder Reichssprache und die der kursächsischen Kanzlei 
zu Wittenberg. Dieser trockenen Amtssprache verhalf Luther zum Siege, 
indem er ihr durch alles Schöne aus der Sprache „der Mütter im 
Hause, der Kinder auf der Gasse und des gemeinen Mannes auf dem 
Markte“ Geist und Leben verlieh, so daß sie nicht nur Umgangs, 
sondern auch Gelehrtensprache werden konnte. Wie eifrig und sorgfältig 
er bei diesem Bestreben verfuhr, dafür giebt sein „Sendschreiben 
vom Dolmetschen“ (S. 400) den besten Beweis. 
Die großen Dichter Klopstock, Lessing, Herder, Goethe und Schiller 
waren gründliche Kenner und Nachahmer der Sprache Luthers, und 
Männer wie Ernst Moritz Arndt, Jakob Grimm, Leöpold von Ranke 
und Gustav Freytag zollen ihr das höchste Lob. 
Wie seine Bibelübersetzung, so haben auch Luthers Streitschriften, 
Predigten, Katechismen, Briefe und Tischreden als Vorbilder 
einer didaktischen Prosa in deutscher Sprache einen bleibenden Wert 
(vergl. S. 395, 398, 402).
	        
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