IV. Neuhochdeutsche Litteratur.
Zürich“ (S. 407) verherrlicht er frische Thatkraft, bürgerlichen Ge
meinsinn und den freundschaftlichen Verkehr der Städte unter—
einander. —
Der dreißigjährige Krieg vernichtete den Wohlstand, die Bildung
und Gesittung eines großen Teiles des deutschen Volkes. Die Sorge
für das tägliche Leben, finsterer Aberglaube (Astrologie, Hexenprozesse)
und knechtische Furcht vor den Fremden zerstörte das Volksgemüt und
das Nationalbewußtsein. Kein Wunder, daß das Volk für die Stimme
der Dichtung kein Gehör mehr hatte. Diese wurde nur noch von den
Gelehrten gepflegt, in deren Händen sie jedoch zur sklavischen Nach—
ahmung französischer, italienischer und holländischer Muster herabsank,
und zwar um so mehr, als infolge des politischen Übergewichts des
französischen Staates unter Ludwig XIV. seine Mode, Sitte, Sprache
und Litteratur (Corneille, Racine, Molière) für die höheren Stände
maßgebend wurde. Die deutsche Sprache mischte sich mehr und mehr
mit lateinischen, französischen, italienischen und selbst spanischen Wörtern
und verlor dadurch den einfachen und kräftigen Charakter, den ihr
Luther gegeben hatte.)
Dem einreißenden Unwesen traten einzelne deutschgesinnte Männer,
namentlich auch Fürsten und ganze Vereine, die sogenannten Sprach—
gesellschaften, entgegen. Die wichtigste dieser Gesellschaften, die
„Fruchtbringende Gesellschaft“ oder der „Palmenorden“ wurde
1617 in Weimar gestiftet. In ihrem großen Eifer für die Reinigung
der Sprache ließen sie sich freilich zu geschmacklosen Verdeutschungen
verleiten, wie Pallas — Kluginne, Apostelgeschichte — Zwölfbotengeschichte,
Papst — Großerzvater, Fenster — Tageleuchter, Fieber S— Zitterweh,
Theater — Schauburg.?)
Die Dichtkunst machte ebenfalls keine Fortschritte, denn viele waren
damals der Ansicht, daß jeder ein Dichter werden könne, der mit der
Mythologie der Alten vertraut sei, die aus der französischen und
lateinischen Dichtung entlehnten, sogenannten sinnreichen Beiwörter und
die Regeln des Versbaues anzuwenden verstehe.?)
Von den zahlreichen Dichtern jener Zeit sind hervorzuheben
Martin Opitz, Paul Fleming, Simon Dach, Paul Gerhaͤrdt,
der Dramendichter Andreas Gryphius und der Epigrammatiker
Friedrich von Logau. Martin Opitz erstrebte mit einigen Freunden
eine Vereinigung der Kunst- und Volkspoesie und fand damit in
Deutschland allgemeinen Anklang. Ein großes Verdienst erwarb er
Wie häßlich diese Sprachmengerei war, mag folgendes Beispiel zeigen: Ein
cavalier ist, wer ein gut eourage hat, maintenieret seinen état; und rͤputation
und giebt einen politen courtisanen ab.
) Am Ende des 19. Jahrhunderts hat der „Allgemeine deutsche Sprachverein“
die Pflicht auf sich genommen, die Muttersprache treulich zu pflegen.
) Harsdörffer, Mitstifter der Hirten an der Pegnitz, verfaßte den „Poetischen
Trichter“, durch welchen er die deutsche Dicht- und Reimkunst in sechs Stunden ein—
zugießen versprach.