Full text: Lesebuch der Erdkunde

Amerika. 757 
ist ohne Zweifel die Brücke der ersten Einwanderung zu suchen. Aber Grönland 
vermittelte die erste geschichtliche Entdeckung von Osten her, von woher auch Kolum¬ 
bus kam, um sein „Westindien" zu finden. Seitdem hat denn auch Europa den 
größten Einfluß auf Amerika erlangt, hat ein Neu-Europa daraus gemacht. 
§ 597. Ganz Amerika ist, als ein Erdteil betrachtet, kleiner als der größte 
Erdteil der alten Welt: es umfaßt mit Grönland und dem arktischen Archipel ca. 
760000 Q.-M., fast 42 Mill. qkm (Asien 813 000 Q.-M., 443/4 MM. qkm), 
ist aber größer als Europa und Afrika zusammen. Nordamerika ist ca. 424300 Q.-M. 
— 23 1is Mill. qkm, Zentralamerika mit Westindien ca. 14 400 Q.-M., ^5 Mill. 
qkm, Südamerika 322 400 Q.-M., 173/4 Mill. qkm groß. — Amerika ist (S. 755) 
von Norden nach Süden etwa 2000 M., 14840 km lang, die größte Breite be- 
trägt in Nordamerika 900 M., 6680 km, in Südamerika etwa 700 M., 5200 km. 
Das Klima Amerikas bietet alle Abstufungen, die zwischen der Grenze des ewigen 
Schnees und mittäglicher Gluthitze möglich sind. Da es beiden Polen sich nähert, kann 
man von Norden her alle Zonen, mit Ausnahme der südlich-polaren, zweimal durch- 
schreiten. Auch die meridiouale Richtung der Gebirge, welche Amerika eigentümliche 
Luftströmungen verschafft, die tiefe Einbuchtung des Mittelmeers in südlichen Breiten und 
die sich, zuspitzende Dreiecksgestalt der beiden Hälften des Kontinents gestalten die klima- 
tischen Verhältnisse manchsaltiger als in andern Erdteilen. Dem Klima entsprechend ist 
auch die Vegetation eine wechselreiche. Die Tannenforsten im Norden, wo sich die 
Mammnthsichte bis zu 95 m erhebt, und die tropischen Urwälder des Südens sind in ihrer 
Großartigkeit unübertroffen. Das reiche Schaffen der Natur ist wesentlich begründet durch 
den Wasserreichtum. Weniger großartig ist die Tierwelt Amerikas, sie steht, was die 
Säugetiere betrifft, derjenigen der alten Welt nach. Es ist wie wenn das übermächtige 
Reich der Pflanzen das Tierleben nicht zu voller Entwicklung kommen ließe. Die wilden 
Tiere erreichen nicht die Größe wie die verwandten Arten in Asien und Afrika; es fehlt 
der König der Tiere, der Löwe, und die größten vierfüßigen Bewohner der alten Welt. 
Bedeutungsvoller war vor der Einfuhr durch Europäer der Mangel an milchgebenden 
Haustieren, welche das Nomadisieren ermöglichen, den Übergang vom wilden Jagdleben 
zum knltnrschaffenden Ackerbau. Um so zahlreicher sind in dem wasserreichen Erdteil die 
Amphibien und Reptilien. Die Vogelwelt zeigt eine seltene Manchfaltigkeit, vom zierlichen 
Kolibri an bis zum Kondor, der sich in Höhen von 7000 m emporschwingt. Die Farben¬ 
pracht und Größe zahlloser Insekten wird aus keinem andern Erdteil erreicht. 
Die Urbevölkerung Amerikas ist der rote Menschenstamm, eine Rasse für sich 
ohne geschichtlich nachweisbare Verbindung mit andern Völkerfamilien. Die Indianer 
haben straffe, schwarze Haare, untersetzte Statur, niedrige, nach hinten gedrückte Stirn, 
vorstehende Backenknochen und Nasen mit hohem Rücken; dies eigentlich das einzige 
Körpermerkmal, das nicht mit dem mongolischen Typus übereinstimmt. Die Farbe, selten 
kupferrot, schwankt zwischen hellem und dunklem Braun. Man findet einen Zug der 
Sanftmut um ihren Mnnd, etwas Ernstes, Gedrücktes in den Augen. Sie sind träge, 
Phlegmatiker, gleichgiltig gegen die Außenwelt, nicht leicht in Leidenschaft geratend, mit 
merkwürdiger Selbstbeherrschung ihre Gefühle verbergend und Schmerzen ertragend. Die 
geistige Begabung der wilden Stämme erscheint nicht groß; sie bemühen sich nicht zu 
untersuchen, was sie nicht verstehen. Von den Europäern haben sie nur wenig angenom- 
men, wie Feuergewehre, Pferdezähmung; zum Ackerbau entschließen sie sich schwer. Merk- 
würdig ist ihre Zersplitterung in Stämme und Horden; der Indianer will allein sein; 
gegen das Stadtleben hat er entschiedenen Widerwillen. Ebenso zersplittert sind ihre 
sprachen 1500—2000 (?): gemeinsam ist ihnen, daß sie einen ganzen Satz durch Wort- 
bildung ausdrücken können, daher man sie polysynthetische oder einverleibende nennt, z. B. 
wi-ni-taw-ti-ge-gi-na-li-skaw-lung-ta-naw-ne-le-te-se-sti, d. h. „sie würden NM diese 
Zeit zu Ende gekommen sein mit ihren Gunstbezeugungen an dich und mich". — Auf der 
Westseite des tropischen Amerikas, wo die Gebirgshöhe der Kordilleren die Temperatur 
mäßigt, hatten sich schon Kulturstaaten gebildet, aber ihre Kultur, die das Eisen nicht 
kannte und den Bison nie zähmen lernte, wurde durch den Fanatismus der spanischen
	        
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