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Zu allerlei niedlichen Arbeiten und ihr alle wißt, wie nette
Büchsen sich aus den ausgehöhlten Ästen anfertigen lassen.
Wird man von Kopfweh geplagt, so tut ein Umschlag von
frischen Blättern des Flieders nicht selten die besten Dienste
und bei Erkältungen ist kaum etwas besser geeignet wohl¬
tätigen Schweiß zu erzeugen, als der Genuß des Flieder¬
tees oder des Fliedermuses, welches letztere man aus den
reifen, schwarzen Beeren bereitet. Der Apotheker gebraucht
außerdem die Wurzel und die innere Rinde der jungen
Zweige und in verschiedenen Gegenden tauchen die Leute
die ganze Blutendolde in einen Mehlteig und verspeisen
sie als „Holderküchle.“ Summa: es ist nichts am Flieder¬
strauch, was nicht der Mensch benutzen könnte, und darum
darf es uns nicht wundern, daß den alten Wenden der
Fliederstrauch heilig war. Auch können wir wohl den
Worten jenes naturkundigen Mannes Beifall schenken, der
da sagte: „Vor jedem Fliederstrauche sollte man die Mütze
abnehmen.“ Nacke
150. Die Perlenmuschel.
Tief im Meeresschoß verborgen,
In der schaurig-grausen Nacht,
Wo das Ungetüm der Fluten,
Wo der Haifisch lauernd wacht,
Hängt die graue Muschelschale
An der steilen Felsenwand
Und der kühne Taucher holet
Dort sie mit geschickter Hand.
Grau und schlammig, ohne Schimmer,
Grüßet sie das Tageslicht;
Meint man doch, die schlechte Muschel
Lohn' so viel Gefahren nicht.
Aber sieh, in ihrer Mitte,
O, wie schimmert's da so rein!
O, wie glänzt da Perl' an Perle,
Holder noch als Edelstein!
Hoher Reichtum ruht verborgen
Dort in wundersamer Pracht,
Daß so eine einz'ge Muschel
Hat den Taucher reich gemacht.
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