Full text: (Für die mittleren Klassen) (Abteilung 2, [Schülerband])

54 
am wenigsten dem Sohne; dennoch konnte man sie recht gut erkennen 
an der Unruhe, mit der er ans- und einging, und an den Blicken,, 
die er häufig gegen den Roßberg tyat, wenn der Heideknabe einmal 
zufällig später von der Heide heimkam als gewöhnlich; und der 
Bube wußte und kannte diese Liebe sehr wol, wenn sie sich auch 
nicht äußerte. 
Von solchen Eltern hatte er keinen Widerstand zu erfahren, als 
er den Entschluß aussprach, in die Welt zu gehen, weil er durchaus 
nicht mehr zu Hause zu bleiben vermöge. Ja, der Vater hatte schon, 
seit langem wahrgenommen, wie der Knabe sich in Einbildungen und 
Dingen abquäle, die ihm selber von Kindheit an nie gekommen waren 
er hielt sie deshalb für Geburten der Heideeinsamkeit und sann auf 
deren Abhilfe. Die Mutter hatte zwar nichts Seltsames an ihren: 
Sohne bemerkt, weil eigentlich ohnehin ihr Herz in den: seinen schlug; 
allein sie willigte doch in seine Abreise aus dem dunklen Instinkte,, 
daß er da ausführe, was ihm not thue. 
Noch eine Person mußte gefragt werden, nicht von den Eltern, 
sondern von ihm: die Großmutter. Er liebte sie zwar nicht so wie 
die Mutter, sondern ehrte und scheute sie vielmehr; aber sie war es 
auch gewesen, aus der er die Anfänge jener Fäden zog, aus welchen 
er vorerst seine Heidefreude webte, dann sein Herz und sein ganzes 
zukünftiges Schicksal. Weit über die Grenze des menschlichen Lebens 
schon hinausgeschritten saß sie, wie ein Scheinen hinten am Hause im 
Garteil an der Sonne, ewig einsam und ewig allein in der Gesell¬ 
schaft ihrer Todten und zurückspinnend an ihrer innern ewig laiigen 
Geschichte. Aber so wie sie da saß, war sie nicht das gewöhnliche 
Bild unheimlichen Hochalters, sonderil wenn sie oft plötzlich ein oder 
das andere ihrer innern Geschöpfe anredete, als ein lebendes und bor 
ihr wandelndes; oder wenn sie sanft lächelte, oder betete, oder mit 
sich selbst redete, wundersain spielend in Blödsinn und Dichtung, iw 
Unverstand imb Geisiesfülle: so zeigte sie gleichsam wie eine mächtige 
Ruine rückwärts auf ein denkwürdiges Dasein. Ja, der Menschen¬ 
kenner, werrr: hier je einer hergekommen wäre, würde aus den weniger: 
Blitzen, die noch gelegentlich auffuhren, leicht erkannt haben, daß hier 
eine Dichtungsfülle ganz ungewöhnlicher Art vorübergelebt worden 
war, ungekannt von der Umgebung, nngekannt voi: der Besitzerin, 
vorübergelebt in den: schlechten Gefäße eines Heidebauerweibes. Ihre 
gemütreiche Tochter, die Mutter des Knaben, war nur ein schwaches 
Abbild derselben. Das alte Weib hatte in ihrem ganzer: Leber: voll, 
harter Arbeiter: r:ur ein einziges Brich gelesen, die Bibel; aber iw
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.