1. Das Vaterland.
E. M. Arndt, Katechismus für d. deutschen Wehrmann. 1813. (Gekürzt.)
Wo dir, o Mensch! Gottes Sonne zuerst schien, wo dir
die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo seine Blitze dir
zuerst seine Allmacht offenbarten, und seine Sturmwinde dir zu¬
erst mit heiligem Schrecken durch die Seele brauseten: da ist deine
Liebe, da ist dein Vaterland!
Wo das erste Menschenauge sich liebend über deine Wiege
neigte, wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schoße
trug, dein Vater dir zuerst die Lehren der Weisheit ins Herz
grub: da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland!
Und seien es kahle Felsen und öde Inseln, und wohne
Armut und Mühe dort mit dir: du mußt das Land ewig lieb
haben, denn du bist ein Mensch und sollst es nicht vergessen,
sondern behalten in deinem Herzen.
Auch ist die Freiheit kein leerer Traum und kein wüster
Wahn, sondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz und die
Gewißheit, daß du vom Himmel stammst.
Da ist Freiheit, wo du in den Sitten und Weisen und Ge¬
setzen deiner Väter leben darfst, — wo dich beglückt, was schon
deinen Urältervater beglückte, — wo keine fremden Unterdrücker
über dich gebieten und keine fremden Treiber dich treiben.
Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das Allerheiligste
auf Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe und Treue in
sich schließt, das edelste Gut, was ein guter Mensch auf Erden
besitzt und zu besitzen begehrt. Darum auch sind sie gemeinen
Seelen ein Wahn, die nur für den Augenblick leben. Aber den
Tapfren heben sie zum Himmel empor und wirken Wunder
in seinem Herzen.
Auf denn, redlicher Deutscher, bete täglich zu Gott, daß er
dir dein Herz mit Stärke ausrüste und deine Seele entflamme
mit Zuversicht und Mut — daß keine Liebe dir heiliger sei als
die Liebe zum Vaterlande. Denn ein Mensch ohne Vater¬
land ist der unseligste von allen! —
Kirchner, Deutsches Lesebuch.
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