Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

Schiller: Der Kampf mit dem Drachen. 
119 
Ja, selbst im Traum der stillen Nächte 
Fand ich mich keuchend im Gefechte; 
llnd wenn der Morgen dämmernd kam 
llnd Kunde gab von neuen Plagen, 
Da faßte mich ein wilder Gram, 
Und ich beschloß es frisch zu wagen. 
7- Und zu mir selber sprach ich dann: 
Was schmückt den Jüngling, ehrt den 
Mann? 
Was leisteten die tapfern Helden, 
Von denen uns die Lieder melden, 
Die zu der Götter Glanz und Ruhm 
Erhub das blinde Heidenthum? 
Sie reinigten von Ungeheuern 
Die Welt in kühnen Abenteuern, 
begegneten im Kamps dem Leu'n 
Und rangen mit den Minotauren, 
Die armen Opfer zu befrei'n, 
Und ließen sich das Blut nicht dauren. 
8. Ist nur der Sarazen es werth, 
Daß ihn bekämpft des Christen Schwert? 
Bekriegt er nur die falschen Götter? 
Gesandt ist er der Welt zum Retter; 
Von jeder Noth und jedem Harm 
Befreien muß sein starker Arm; 
Doch seinen Muth muß Weisheit leiten, 
Und List muß mit der Stärke streiten. 
So sprach ich oft und zog allein, 
Des Raubthiers Fährte zu erkunden; 
Da stößte mir der Geist es ein, 
Froh rief ich aus: Ich hab's gefunden! 
Und trat zu dir und sprach dies Wort: 
Mich zieht es nach der Heimat fort. 
Du, Herr, willfahrtest meinen Bitten, 
Und glücklich war das Meer durch¬ 
schnitten. 
Kaum stieg ich aus am heim'schen Strand, 
Gleich ließ ich durch des Künstlers Hand, 
Getreu den wohlbemerkten Zügen, 
Ein Drachenbild zusammenfügen. 
Auf kurzen Füßen wird die Last 
Des langen Leibes aufgethürmet, 
Ein schuppicht Panzerhemd umfaßt 
Den Rücken, den es furchtbar schirmet. 
U). Lang strecket sich der Hals hervor, 
Und gräßlich wie ein Höllenthor, 
Als schnappt' er gierig nach der Beute, 
Eröffnet sich des Rachens Weite; 
Und aus dem schwarzen Schlunde dräun 
Der Zähne stachelichte Reihn; 
Die Zunge gleicht des Schwertes Spitze, 
Die kleinen Augen sprühen Blitze; 
In eine Schlange endigt sich 
Des Rückens ungeheure Länge, 
Rollt um sich selber fürchterlich, 
Daß es um Mann und Roß sich schlänge. 
11. Und Alles bild' ich nach genau 
Und kleid' es in ein scheußlich Grau; 
Halb Wurm erschien's, halb Molch und 
Drache, 
Gezenget in der gift'gen Lache. 
Und als das Bild vollendet war, 
Erwähl' ich mir ein Doggenpaar, 
Gewaltig, schnell, von stinken Läufen, 
Gewohnt den wilden Ur zu greifen; 
Die hetz' ich auf den Lindwurm an, 
Erhitze sie zu wildem Grimme, 
Zu fassen ihn mit scharfem Zahn, 
Und lenke sie mit meiner Stimme. 
12. Und wo des Bauches weiches Vlies 
Den scharfen Bissen Blöße ließ, 
Da reiz' ich sie den Wurm zu packen, 
Die spitzen Zähne einzuhacken. 
Ich selbst, bewaffnet mit Geschoß, 
Besteige mein Arabisch Roß, 
Bon adelicher Zucht entstammet; 
Und als ich seinen Zorn entflammet, 
Rasch auf den Drachen spreng' ich's los 
Und stachl' es mit den scharfen Sporen 
Und werfe zielend mein Geschoß, 
Als wollt' ich die Gestalt durchbohren. 
13. Ob auch das Roß sich grauend bäumt 
Und knirscht und in den Zügel schäumt 
Und meine Doggen ängstlich stöhnen, 
Nicht rast' ich, bis sie sich gewöhnen. 
So üb' ich's aus mit Emsigkeit, 
Bis dreimal sich der Mond erneut, 
Und als sie Jedes recht begriffen, 
Führ' ich sie her auf schnellen Schiffen. 
Der dritte Morgen ist es nun, 
Daß mir's gelungen hier zu landen; 
Den Gliedern gönnt' ich kaum zu ruhn, 
Bis ich das große Werk bestanden. 
14. Denn heiß erregte mir das Herz 
Des Landes frisch erneuter Schmerz; 
Zerrissen fand man jüngst die Hirten, 
Die nach dem Sumpfe sich verirrten. 
Und ich beschließe rasch die That, 
Nur von dem Herzen nehm' ich Rath. 
Flugs unterricht' ich meine Knappen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.