Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

Chamisso: Der Szekler Landtag. Lenau: Die drei Indianer. 
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Die Ernte trocken in die Scheune 
schafft?-- 
8. Es herrschte tiefes Schwelgen in 
der Runde, 
Doch nahm zuletzt das Wort ein würd'- 
ger Greise 
Und sprach gewichtig mit beredtem Munde: 
9. „Der Fall ist ernst. Mit Nichten 
wär' es weise, 
Mit übereiltem Rathschluß einzugreifen; 
Mir handeln nicht unüberlegter Weise. 
10. Drum ist mein Antrag, ohne weit 
zu schweifen: 
Laßt uns auf nächsten Samstag uns 
vertagen! 
Die Zeit bringt Rath; sie wird die 
Sache reifen." 
11. Beschlossen ward, worauf er ange¬ 
tragen. 
Die Frist verstrich bei ew'gen Regen¬ 
schauern, 
Hinbrüten drauf und brüuchlichen Ge¬ 
lagen. 
12. Der Samstag kam und sah die¬ 
selben Mauern 
Umfassen noch des Landes Rath und 
Hort 
Und sah den leid'gen Regen ewig dauern. 
13. Der Landesmarschall sprach ein 
ernstes Wort: 
„Höchmögende, nun thut nach eurer 
* Pflicht! 
>chr seht, der Regen regnet ewig fort; 
14. Wer ist es, der das Wort der 
Weisheit spricht? 
Wer bringt in unsers Sinnes düstre 
Nacht 
Das lang' erwartete, begehrte Licht? 
15. Zur That! Ihr habt erwogen 
und bedacht. 
Ich wende mich zuerst an diesen Alten, 
Des Scharfsinn einmal schon uns Trost 
gebracht. 
16. Ehrwürd'ger Greis, laß deine 
Weisheit walten!" — 
Der stand und sprach: „Ich bin ein 
alter Mann, 
Ich will euch meinen Rath nicht vor¬ 
enthalten. 
17. Wir sehn es vierzehn Tage noch 
mit an; 
Und hat der Regen dann nicht aufgehört— 
Gut, regn' es denn, so lang es will 
und kann!" — 
18. Er schwieg; es schwiegen, die das 
Wort gehört, 
Noch eine Weile staunend—dann erscholl 
Des Beifalls Jubelnachklang ungestört. 
19. „Einstimmig," heißt es in dem 
Protokoll, 
„Einstimmig ward der Rathschluß an¬ 
genommen, 
Der nun Gesetzeskraft behalten soll." 
20. So schloß ein Szeller Landtag, der 
zum Frommen 
Des Landes Weiseres vielleicht gerathen 
Als mancher, dessen Preis auf uns 
gekommen. 
21. So wie die Väter, stolz auf ihre 
Thaten, 
Nach brüuchlichen Gelagen heimgekehrt, 
Erschien die Sonne, trockneten dieSaaten, 
Und schwankten heim die Wagen gold¬ 
beschwert. 
85. Die drei Indianer. (Um 1832). 
Von Nikolaus Lenau. Gedichte. Stuttgart und Augsburg, 1858. 
1. Mächtig zürnt der Himmel im Ge- 
Witter, 
schmettert manche Nieseneich' in Splitter, 
llebertönt des Niagara Stimme, 
llnd mit seiner Blitze Flammenruthen 
Peitscht er schneller die beschäumten 
> Fluten, 
^aß sie stürzen mit empörtem Grimme. 
£ Indianer stehn am lauten Strande, 
Tuschen nach dem wilden Wogenbrande, 
Nach des Waldes bangem Sterbgestöhne; 
Greis der eine, mit ergrautem Haare, 
Aufrecht überragend seine Jahre, 
Die zwei andern seine starken Söhne. 
3. Seine Söhne jetzt der Greis be¬ 
trachtet, 
Und sein Blick sich dunkler jetzt umnachtet 
Als die Wolken, dieden Himmel schwärzen, 
Und sein Aug' versendet wildre Blitze 
Als das Wetter durch die Wolkenritze, 
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