Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

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B. Lyrisch epische Poesie. VI. Erzählungen, Balladen, Romanzen. 
Des Todes harrt' er freudig mit 
Geduld, 
Ein Grenadier, gestützt auf Christi Huld, 
Bereit zu folgen himmlischem Panier — 
Und immer seufzt' er: „Mich verlangt 
nach dir!" 
90 Mit Thränen sah ich in sein Aug' 
hinein, 
Erblickt' ihn schon in sel'gen Heeresreihn. 
Zuletzt war's bittrer, schmerzenreicher 
stets 
Und mächtiger die Flamme des Gebets; 
Er lag erblassend, seine Lippen stumm, 
Da wandte sich das edle Haupt noch um, 
Und noch ein Seufzer, als der Geist 
entwich: 
„Nach dir nur, Herr, nach dir verlanget 
mich!" 
96. Zwei Heimgekehrte. (Vor 1837.) 
Von Anastasius Grün. Lieder aus dem Gebirge. — Gedichte. Berlin 1887. 
1. Zwei Wandrerzogen hinaus zumThor, 
Zur herrlichen Alpenwelt empor; 
Der eine ging, weil's Mode just, 
Den andern trieb der Drang in der 
Brust. 
2. Und als daheim nun wieder die Zwei, 
Da rückt die ganze Sippe herbei, 
Da wirbelt's von Fragen ohne Zahl: 
„Was habt ihr gesehn? Erzählt einmal!" 
3. Der Eine drauf mit Gähnen spricht: 
„Was wir gesehn? Viel Rares nicht! 
Ach, Bäume, Wiesen, Bach und Hain 
Und blauen Himmel und Sonnenschein!" 
4. Der Andre lächelnd dasselbe spricht, 
Doch leuchtenden Blicks mit verklärtem 
Gesicht: 
„Ei Bäume, Wiesen, Bach und Hain 
Und blauen Himmel und Sonnenschein!" 
97. Das Schifflein. (1810.) 
Von Ludwig Uhl and. Gedichte. Stuttgart, 1863. 
1. Ein Schisslein ziehet leise 
Den Strom hin seine Gleise. 
Es schweigen, die drin wandern, 
Denn Keiner kennt den Andern. 
2. Was zieht hier aus dem Felle 
Der braune Weidgeselle? 
Ein Horn, das sanft erschallet; 
Das Ufer widerhallet. 
3. Von seinem Wanderstabe 
Schraubt jener Stift und Habe 
Und mischt mit Flötentönen 
Sich in des Hornes Dröhnen. 
98. 
Von Johann Wolfgang von Goethe. 
1. „Was hör' ich draußen vor dem Thor, 
Was auf der Brücke schallen? 
Laß den Gesang vor unserm Ohr 
Im Saale widerhallen!" 
Der König sprach's, der Page lief; 
Der Knabe kam, der König rief: 
„Laßt mir herein den Alten!" — 
2. Gegrüßet seid mir, edle Herrn, 
Gegrüßt ihr, schöne Damen! 
Welch reicher Himmel! Stern bei Stern! 
Wer kennet ihre Namen? 
4. Das Mädchen saß so blöde, 
Als fehlt' ihr gar die Rede; 
Jetzt stimmt sie mit Gesänge 
Zu Horn und Flöteuklange. 
5. Die Rudrer auch sich regen 
Mit taktgemäßen Schlägen. 
Das Schiff hinunterflieget, 
Von Melodie gewieget. 
6. Hart stößt es auf am Strande, 
Mark trennt sich in die Lande: 
„Wann treffen wir uns, Brüder, 
Auf einem Schisflein wieder?" 
(1782.) 
Stuttgart und Tübingen, 1850. 
Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit 
Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit, 
Sich staunend zu ergötzen." 
3. Der Sänger drückt' die Augen ein 
Und schlug in vollen Tönen; 
Die Ritter schauten muthig drein 
Und in den Schooß die Schönen. 
Der König, dem das Lied gefiel, 
Ließ ihm zum Lohne für sein Spiel 
Eine goldne Kette bringen. 
4. „Die goldne Kette gieb mir nicht, 
Der Sänger. 
Werke.
	        
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