Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

291 
Ranke: Der erste Hohenzoller in der Mark Brandenburg. 
konnte er nichts gegen die Gewalthaten ausrichten; er siegte dadurch, daß er 
die vierzehn Schuh dicken Mauern ihrer festen Schlösser, hinter denen sie bisher 
unangreifbar gewesen, mit dem ungefügen, aber wirksamen Geschütz, das er sich 
verschafft hatte, niederlegte. In wenigen Jahren brachte er es dahin, daß er 
einen Landfrieden verkündigen konnte, nach welchem ein Jeder, der sein oder 
der Seinen Feind sei, als der Feind Aller betrachtet und verfolgt werden sollte. 
Doch würde Alles nur vorübergehend gewesen sein, hätte nicht der Kaiser, der 
selbst ohne Sohn war, nach so trefflichen Proben von Thatkraft und durch neue 
Dienstleistungen gewonnen, dem Burggrafen das Knrfürstenthum erblich über¬ 
lassen. Für die Mark und die Zollern ist der wichtigste Tag ihrer ältern Ge¬ 
schichte der 18. April 1417, wo Kaiser Sigmund auf dem Markt zu Constanz 
den Burggrafen feierlich belehnte, ihm die Fahne mit dem Wappen der Mark 
in die Hand gab und seine Huldigung als Kurfürst empfing. Dem Lande 
entsprang daher die Aussicht, sich wieder aufzunehmen und in Zukunft wieder 
einmal etwas zu bedeuten. Dem Hause der Zollern ward ein Schauplatz der 
Thätigkeit und des Ruhmes eröffnet, der ihrer Kräfte würdig war und diese 
selbst hervorrufen mußte. 
Wie oft hat Friedrich I. noch das Schwert ziehen müssen, um den Frieden 
zu behaupten, den er gestiftet! Er hielt für erlaubt, zu diesem Zwecke die 
Glocken der Kirchen in Kanonen umgießen zu lassen. Die Mannhaftigkeit seines 
Wesens -schloß eine liberale Beschäftigung mit der Literatur nicht aus. Man 
weiß, daß er Petrarca kannte und liebte; seine Deutschen Lesebücher hat er 
werth genug gehalten, um ihrer in seinem Testamente zu gedenken. Die per¬ 
sönlichen Berathungen der Reichsfürstcn damaliger Zeit hatten das Gute, daß 
sie im wiederholten Meinungsaustausch mit Gleichstehenden angeborene Geistes¬ 
gaben weckten und zur Reife brachten. In den kirchlichen und rechtlichen An¬ 
gelegenheiten bewies Niemand mehr Einsicht und Mäßigung als Friedrich I.; 
in seinem Hause zu Basel ist den Hussiten der erste Friedensgruß geboten 
worden. 
Kurfürst Friedrich I. gemahnt an die sagenhaften Heroen des Alterthums, 
welche, ans der Ferne kommend, eingeborenen Stämmen Ordnung und Zucht 
bringen und dadurch ihre Macht begründen. 
247. Der Reiter Martinus und die Schweizer Studenten. 
Am 4. März 1522. 
Bon Gustav Frey tag. Bilder aus der Deutschen Vergangenheit. Leipzig, 1880. 
Johann Keßler, ein junger Student aus St. Gallen, welcher im Frühjahr 
1522 mit einem Genossen von Basel nach Wittenberg zog, um dort unter den 
Reformatoren seine theologischen Studien fortzusetzen, traf auf dieser Reise in 
Jena mit Luther zusammen, welcher damals von der Wartburg gen Wittenberg 
hinabritt. Von dieser Begegnung erzählt er Folgendes. X 
Da wir, die heilige Schrift zu studieren, gen Wittenberg reisten, sind wir 
nach Jena im Land Thüringen in einem wüsten Gewitter gekommen, und nach 
vielem Umfragen in der Stadt nach einer Nachtherberge haben wir doch keine 
erhaschen können; überall ward uns Herberge abgeschlagen, denn es war Fast¬ 
nacht, wo man nicht viel Sorge für die Pilger und Fremdlinge trägt. Da 
haben wir uns aus der Stadt wieder hinaus gewandt, ob wir ein Dorf er¬ 
reichten, wo man uns doch beherbergen wollte. Indem begegnete uns unter 
dem Thor ein ehrbarer Mann, sprach freundlich zu uns und fragte, wo wir 
doch so spät hinwollten, da wir in der Nähe weder Haus noch Hos, wo man 
19*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.