Full text: Für Tertia (Abtheilung 1, [Schülerband])

Fr. v. Schlegel: Aus „Roland/ 
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55 Wieder auf die Rosse, Jeder 
Tapfer auf den Andern schlug. 
Roland will den Riesen spalten 
Mit des Schwertes grimmem Schwung; 
Doch das Schwert statt durch des Riesen 
60 Durch den Leib des Rosses fuhr. 
Da sein Roß ihm nun getödtet, 
Stritt der Niese dann zu Fuß, 
Drohet viel mit seinem Schwerte, 
Bis er's sinken lassen muß. 
65 Doch wie mächtig er getroffen, 
Wird des Riesen Arm nicht wund. 
Grimmig er die Faust jetzt ballte, 
Rolands Roß den Kopf einschlug. 
So mit Fäusten, so mit Steinen 
70 Kämpften Beide nun zu Fuß. 
Da es Abendroth geworden, 
Bot den Frieden Ferracut. 
Bei den Seinen soll ein Jeder 
Pflegen diese Nacht der Ruh'. 
75 „Ohne Schwert und Lanze kämpfen 
Morgen wir wie heute nur." 
Also schieden nun am Abend 
Diese Zwei mit manchem Gruß, 
Kehren auf den Kampfplatz frühe 
80 Bei der Morgensonne Glut. 
Zwar ein Schwert der Niese brachte 
Gegen Recht und seinen Bund; 
Doch es möcht' ihm wenig frommen, 
Daß gebrochen er den Schwur. 
'85 Roland einen Stecken führte, 
Einen Stecken lang und krumm, 
Hat ihn viel damit geschlagen, 
Doch der Riese ward nicht wund. 
Auch mit großen Kieselsteinen, 
90 Die er von der Erd' aufhub, 
Bis zur heißen Mittagsstunde 
Er ihn unermüdlich schlug. 
Da nun Roland Frieden bietet, 
In der Mittagszeit zu ruhn, 
95 Schwer vom Schlaf alsbald der 
Riese 
Streckt sich auf die grüne Flur. 
Einen Felsstein nahm der Ritter, 
Wie er stark noch war und jung, 
Legte den ihm zu den Häupten, 
100 Daß er desto sanfter ruht. 
Roland nicht noch sonst ein Ritter 
Nähme jetzt des Riesen Blut, 
Denn so war der Zeiten Sitte, 
Paulstck, Deutsche» Lesebuch. II. 1. 8. 2ufl. 
Da noch blüht' das Nitterthum: 
105 Wer dem Feind das Wort gegeben 
Und nicht hält der Treue Schwur, 
Sei cs Christe oder Heide, 
Mit dem Tod es büßen muß. 
Da der Niese nun erwachte, 
110 Geht der Ritter auf ihn zu, 
Setzt ins Gras sich zu ihm nieder. 
„Sag' mir," spricht er, „doch mit 
Gunst, 
Wie du also hart gewachsen, 
Daß kein Eisen dich macht wund, 
115 Stein noch Holz kann dich verletzen! 
Nirgends seh' ich dessen Spur." 
Staunend schaut ihn an der Riese, 
Willig er das kund ihm thut, 
Wie am Nabel er verwundbar, 
120 Fest sonst sei von Kopf zu Fuß. 
„Der so tapfer mich bestreitet, 
Sage, Knabe, wer bist du?" — 
„Roland bin ich," sprach der Ritter, 
„Bon der Franken Stamm und 
Blut." — 
125 „Welches Glaubens sind die Fran¬ 
ken?" 
Sprach der wilde Ferracut. 
„An den Christ durch Gottes Gnade 
Glauben wir und seinen Schutz." — 
„Wer doch dieser Christ gewesen, 
130 Sage mir nun zum Beschluß!" -- 
„Er war Gottes Sohu," sprach Roland, 
„Jungfräulichen Leibs Geburt, 
Der, am Kreuz gestorben, siegreich 
In des Abgrunds Tiefe fuhr, 
135 Auf dann stieg zum Himmelreiche, 
Dorten sitzt auf ew'gem Stuhl." — 
„Laß uns kämpfen," sprach der Riese, 
„Und das sei des Kampfes Bund: 
Ist dein Glaube wahr, so fall' ich, 
140 Werde siegen, wenn er Trug." — 
„Also sei es," sprach der Ritter; 
„Ewig sei dem Sieger Ruhm, 
Schande des Besiegten Volke!" — 
Sprang dann auf den Heiden zu. 
145 Prächtig schwingend, ihn der Riese 
Mit dem Schwert zu schlagen sucht, 
Doch es meidet gar behende 
Roland ihn im Seitensprung. 
Rolands Keule war zerbrochen, 
150 Drum der Rief' in grimmer Wuth 
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