52 B. Lyrisch epische Poesie. IV. Romantisches Epos.
Rasch bricht er Bahn sich durchs Ge¬
zweig,
Das tauft mit Morgenthau ihn reich.
Nun steht der Hund mit lautem Knurren,
Als wollt' er dem Gebieter murren,
45 Vor dessen Zorn er nur sich scheute
Gleich anzuspringen seine Beute.
Der Jäger schreitet nach. Da ruht
Auf offnem Platz in Waldes Hut,
Vom Frllhhauch weich umspielt und
mild,
50 Geschloßnen Augs des Jünglings
Bild;
Die eine Hand ihm unterm Haupt,
Drauf senkt ein Ast sich dicht belaubt,
Der hatte mit besorgtem Walten
Den Morgenstrahl ihm abgehalten.
55 Der Jagdspeer liegt im andern
Arm;
Doch hat der Schlaf ihm weich und
warm
Des Fingers Sehnen abgespannt,
Und breit und lässig ruht die Hand.
Der Jäger steht — da knackt ein Ast,
60 Der Knabe fährt empor in Hast;
Er schüttelt ab des Schlummers Stocken
Und von dem Aug' den Schwall der
Locken.
Wie von des jungen Weines Glut
Aufschäumt des Mannes rothes Blut,
65 So zückt die Kraft ihm heiß durchs
Mark;
Auf springt er, faßt die Lanze stark,
Und so gestellt, ihn abzufangen,
Harrt er des Gegners ohne Bangen.
Gewaltig Bild! Du schautest hier
70 Des Mannes vielerprobte Stärke,
Dort in des Jugendtrotzes Zier
Den Knaben, reif zum Männerwerke;
Hier eine Eiche, markig, ständig,
Die Fichte dort, gelenk, lebendig —
75 Und hätten Beide sich bekriegt,
Wer möcht' uns künden, welcher siegt?
Doch nicht so feindlich war's gemeint.
Wie wenn die Sonne freundlich scheint
Auf zackigen Fels im Waldesthale,
80 So hellte sich mit einem Male
Vor solcher Jugendschönheit Licht
Des Försters düster Angesicht; -
Er pfeift dem Hund, der, Glut im Blick,
Schon lauert auf des Feinds Genick;
85 Gehorchend, doch nicht allzugern,
Verkriecht er stumm sich hinterm Herrn.
Der aber sprach: „Nehmt's nicht
unwirsch,
Lieber Gesell, daß auf der Birsch
Ich Euch für ein Gewild genommen
90 Und Ihr so schlimm zum Schrecken
kommen."
Der Junge drauf: „Es war der
Schrecken
Just nicht so groß; um mich zu wecken,
War's Zeit in solchen Sommertagen,
Des muß ich billig Dank Euch sagen.
95 Doch da Ihr einmal im Gehege,
So ruht ein Weilchen von dem Wege;
Eu'r Wams besagt mir sicherlich,
Daß Ihr ein Jäger seid wie ich.
Kommt, hier ist Wildbrät noch genug
100 Zu raschem Frühstück für uns Beide;
Nur fehlt uns Eines, mir zum Leide:
Von gutem Wein ein tiefer Zug." —
„Dafür laßt mich," spricht jener,
„sorgen!"
Und zieht aus seiner Weidmannstasche,
105 Vor Sonnenglut in Stroh ver¬
borgen,
Die wohlgepfrofte volle Flasche.
Sie lagerten sich Beide schnell
Und ließen Flasch' und Messer wan¬
dern,
Der eine Jagdgenoß zum andern.
110 Der Hund als dritter Tischgesell
An ihren Fuß sich wedelnd schmiegt
Und auf die Knochen lauernd liegt.
Ihm warf sein Herr mit mildem Sinn
Auch manches Stück vom Braten hin;
115 Denn wer da lebt in Waldesgrund
Einsam von Weib und Ingesinde,
Dem ist auch lieb gleich einem Kinde
Sein einz'ger Freund, der gute Hund.
Und wie die Drei nun abgespeist,
120 Da gab's nicht eben viel zu räumen,
Weil Junggesellen ja zumeist
Nicht lang' sich mit der Ordnung
säumen.
Drauf spricht der Bursch: „Im leichten
Kahn
Fuhr ich heut' Nacht zu Eurem Strande.
125 Ein Fremdling bin ich hier: wohlan,
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