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IV. Geschichtliches und Kulturgeschichtliches.
von den Karpathen bis zur Ostsee, von dem Niemen bis zur Elbe, Krieg
rief der Edelmann und Landbewohner, der verarmt war, Krieg der Bauer,
der sein letztes Pferd unter Vorspannen und Fuhren tottrieb, Krieg
der Bürger, den die Einquartierungen und Abgaben erschöpften, Krieg
der Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte, Krieg die Witwe, die
ihren einzigen Sohn ins Feld schickte, Krieg die Braut, die den Bräutigam
zugleich mit Tränen des Stolzes und des Schmerzes entließ.
So hat das preußische Volk und Heer sich offenbart; so sind die
Wunder, die uns Deutschen vom Guadalquivir und Ebro, vom Dniepr
und von der Düna verkündigt wurden, auch bei irns erneuet; so ist Gott
und Gottes Kraft und eine Begeisterung, die wir nicht begreifen können,
auch unter uns erschienen. Die Preußen hatten Fehrbellin und Hoch-
städt, Turin und Malplaquet, sie hatten die Tage von Roßbach und
Leuthen, die Schlachten von Torgau und Zorndorf, — sie haben nie
Tage gehabt wie die von Großgörschen und von der Katzbach, von
Dennewitz und von Leipzig; denn sie haben nie zuvor mit einem so
großen Geist noch für eine so große Sache das Schwert gezogen. Daß
wir jetzt frei atmen, daß wir fröhlich zu den Sternen blicken und Gott
anbeten, daß wir unsere Kinder wieder mit Freuden ansehen können,
als die da künftig freie Männer sein werden, — das danken wir
nächst Gott diesen Beginnern der deutschen Herrlichkeit; sie sind uns
übrigen Deutschen, wie verschiedene Namen wir auch führen mögen,
die glorreichen Vortreter und das erste Beispiel der Freiheit und Ehre
geworden.
Theodor Körner cm seinen Vater.
Theodor Körner. Werke. Berlin.
Wien, am 10. März 1813.
Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegellheit,
die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe. Dich weder befremden noch
erschrecken wird. Neulich schon gab ich Dir einen Wink über mein Vor¬
haben, das jetzt zur Reife gediehen ist. Deutschland steht auf; der
preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügel¬
schläge die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen
Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande, — laß mich ihr
würdiger Jünger sein! Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will
das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hin¬
werfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu er¬
kämpfen. — Nenn's nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei
Jahren hätte ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche Seligkeit
in diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks in