Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

172 
IV. Geschichtliches und Kulturgeschichtliches. 
von den Karpathen bis zur Ostsee, von dem Niemen bis zur Elbe, Krieg 
rief der Edelmann und Landbewohner, der verarmt war, Krieg der Bauer, 
der sein letztes Pferd unter Vorspannen und Fuhren tottrieb, Krieg 
der Bürger, den die Einquartierungen und Abgaben erschöpften, Krieg 
der Tagelöhner, der keine Arbeit finden konnte, Krieg die Witwe, die 
ihren einzigen Sohn ins Feld schickte, Krieg die Braut, die den Bräutigam 
zugleich mit Tränen des Stolzes und des Schmerzes entließ. 
So hat das preußische Volk und Heer sich offenbart; so sind die 
Wunder, die uns Deutschen vom Guadalquivir und Ebro, vom Dniepr 
und von der Düna verkündigt wurden, auch bei irns erneuet; so ist Gott 
und Gottes Kraft und eine Begeisterung, die wir nicht begreifen können, 
auch unter uns erschienen. Die Preußen hatten Fehrbellin und Hoch- 
städt, Turin und Malplaquet, sie hatten die Tage von Roßbach und 
Leuthen, die Schlachten von Torgau und Zorndorf, — sie haben nie 
Tage gehabt wie die von Großgörschen und von der Katzbach, von 
Dennewitz und von Leipzig; denn sie haben nie zuvor mit einem so 
großen Geist noch für eine so große Sache das Schwert gezogen. Daß 
wir jetzt frei atmen, daß wir fröhlich zu den Sternen blicken und Gott 
anbeten, daß wir unsere Kinder wieder mit Freuden ansehen können, 
als die da künftig freie Männer sein werden, — das danken wir 
nächst Gott diesen Beginnern der deutschen Herrlichkeit; sie sind uns 
übrigen Deutschen, wie verschiedene Namen wir auch führen mögen, 
die glorreichen Vortreter und das erste Beispiel der Freiheit und Ehre 
geworden. 
Theodor Körner cm seinen Vater. 
Theodor Körner. Werke. Berlin. 
Wien, am 10. März 1813. 
Liebster Vater! Ich schreibe Dir diesmal in einer Angelegellheit, 
die, wie ich das feste Vertrauen zu Dir habe. Dich weder befremden noch 
erschrecken wird. Neulich schon gab ich Dir einen Wink über mein Vor¬ 
haben, das jetzt zur Reife gediehen ist. Deutschland steht auf; der 
preußische Adler erweckt in allen treuen Herzen durch seine kühnen Flügel¬ 
schläge die große Hoffnung einer deutschen, wenigstens norddeutschen 
Freiheit. Meine Kunst seufzt nach ihrem Vaterlande, — laß mich ihr 
würdiger Jünger sein! Ja, liebster Vater, ich will Soldat werden, will 
das hier gewonnene glückliche und sorgenfreie Leben mit Freuden hin¬ 
werfen, um, sei's auch mit meinem Blute, mir ein Vaterland zu er¬ 
kämpfen. — Nenn's nicht Übermut, Leichtsinn, Wildheit! — Vor zwei 
Jahren hätte ich es so nennen lassen; jetzt, da ich weiß, welche Seligkeit 
in diesem Leben reifen kann, jetzt, da alle Sterne meines Glücks in
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.