222
IV. Geschichtliches und Kulturgeschichtliches.
6. Rede in Küstrin am 24. Oktober 1903 anläßlich der
Weihe des Denkmals für den jugendlichen Kurprinzen
Friedrich Wilhelm, den nachmaligen Großen Kurfürsten.
In patriotischen und warm empfundenen Worten hat soeben der
Herr Bürgermeister im Namen von Küstrin Mir den Willkommen aus¬
gesprochen und zugleich den Einfluß, die Wirksamkeit und die Bedeutung
des Herrschers geschildert, dessen Standbild hier enthüllt worden ist. Indem
Ich Küstrin Meinen herzlichen Dank ausspreche für den begeisterten Empfang
seitens seiner Bürgerschaft und die schöne Ausschmückung Ihrer Stadt, kann
Ich auch hinzufügen, daß es Mich mit Freude und Befriedigung erfüllt,
diese Stätte historischer Erde zu betreten. Wir haben soeben vernommen,
auf welcher Grundlage das Leben des Fürsten aufgebaut war. Diese
Grundlage ist es gewesen, die Meinen Vorfahren und Meinem Hause
zu der Stellung geholfen und uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt
stehen. Diese Grundlage ist auch die Meinige. Ich habe es erst vor
wenigen Tagen ausgesprochen. Die Stadt Küstrin ist mit Unserm
Hause auf das innigste verknüpft gewesen, sie hat zwei der gewaltigsten
Meiner Vorfahren Stätte und Heim gegeben: bent Großen Kurfürsten
und dem Großen König. In schwerer Zeit ist hier der Große Kurfürst
verwahrt worden, um späterhin in einzig dastehender Arbeit ein Land
wieder emporzuheben aus einem Zustand, wie er kaum in einen: andern
herrschte. Ein Land, welches zerrissen, zerstampft, verwüstet und ver¬
kommen am Boden lag, hat der jugendliche Fürst, unbekümmert um die
Größe der Aufgabe, zu hoher Blüte emporgebracht und zu bedeutungs¬
voller Stellung unter den Mächten. Und der Große König hat in seiner
Jugend in schwerer Stunde hier die Schule durchmachen müssen, die es
ihm ermöglichte, nachher der Mann und der Charakter zu werden, als
den ihn die Vorsehung brauchte, um aus Preußen das zu machen, was
es geworden ist. Wir können wohl annehmen, daß er in den schweren
Stunden, die er hier durchgemacht hat, in sich klar geworden ist und be¬
griffen hat, daß seine Lebensaufgabe die sein müsse, zu der er sich nach¬
her als König bekannte: daß er der erste Diener des Staates sein müsse.
Das konnte er nur lernen durch Unterordnung, durch Gehorsam, mit
einem Wort durch das, was wir als Preußen mit Disziplin bezeichnen.
Und diese Disziplin muß ebenso im Königshause wie im bürgerlichen
Hause, im Heere wie im Volke wurzeln. Respekt vor der Obrigkeit,
Gehorsam gegen die Krone und Gehorsam gegen den elterlichen und
väterlichen Einfluß, das müssen wir ans diesen Erinnerungen lernen.
Und diesen Eigenschaften entspringen dann diejenigen, die wir mit
Patriotismus bezeichnen, nämlich Unterordnung des eigenen Ich, des
eigenen Subjekts zum Wohle des Ganzen; das ist es, was uns in dieser
Zeit besonders nottut. Ich habe aber die feste Überzeugung, daß in den