Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

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IV. Geschichtliches und Kulturgeschichtliches. 
6. Rede in Küstrin am 24. Oktober 1903 anläßlich der 
Weihe des Denkmals für den jugendlichen Kurprinzen 
Friedrich Wilhelm, den nachmaligen Großen Kurfürsten. 
In patriotischen und warm empfundenen Worten hat soeben der 
Herr Bürgermeister im Namen von Küstrin Mir den Willkommen aus¬ 
gesprochen und zugleich den Einfluß, die Wirksamkeit und die Bedeutung 
des Herrschers geschildert, dessen Standbild hier enthüllt worden ist. Indem 
Ich Küstrin Meinen herzlichen Dank ausspreche für den begeisterten Empfang 
seitens seiner Bürgerschaft und die schöne Ausschmückung Ihrer Stadt, kann 
Ich auch hinzufügen, daß es Mich mit Freude und Befriedigung erfüllt, 
diese Stätte historischer Erde zu betreten. Wir haben soeben vernommen, 
auf welcher Grundlage das Leben des Fürsten aufgebaut war. Diese 
Grundlage ist es gewesen, die Meinen Vorfahren und Meinem Hause 
zu der Stellung geholfen und uns dahin gebracht hat, wo wir jetzt 
stehen. Diese Grundlage ist auch die Meinige. Ich habe es erst vor 
wenigen Tagen ausgesprochen. Die Stadt Küstrin ist mit Unserm 
Hause auf das innigste verknüpft gewesen, sie hat zwei der gewaltigsten 
Meiner Vorfahren Stätte und Heim gegeben: bent Großen Kurfürsten 
und dem Großen König. In schwerer Zeit ist hier der Große Kurfürst 
verwahrt worden, um späterhin in einzig dastehender Arbeit ein Land 
wieder emporzuheben aus einem Zustand, wie er kaum in einen: andern 
herrschte. Ein Land, welches zerrissen, zerstampft, verwüstet und ver¬ 
kommen am Boden lag, hat der jugendliche Fürst, unbekümmert um die 
Größe der Aufgabe, zu hoher Blüte emporgebracht und zu bedeutungs¬ 
voller Stellung unter den Mächten. Und der Große König hat in seiner 
Jugend in schwerer Stunde hier die Schule durchmachen müssen, die es 
ihm ermöglichte, nachher der Mann und der Charakter zu werden, als 
den ihn die Vorsehung brauchte, um aus Preußen das zu machen, was 
es geworden ist. Wir können wohl annehmen, daß er in den schweren 
Stunden, die er hier durchgemacht hat, in sich klar geworden ist und be¬ 
griffen hat, daß seine Lebensaufgabe die sein müsse, zu der er sich nach¬ 
her als König bekannte: daß er der erste Diener des Staates sein müsse. 
Das konnte er nur lernen durch Unterordnung, durch Gehorsam, mit 
einem Wort durch das, was wir als Preußen mit Disziplin bezeichnen. 
Und diese Disziplin muß ebenso im Königshause wie im bürgerlichen 
Hause, im Heere wie im Volke wurzeln. Respekt vor der Obrigkeit, 
Gehorsam gegen die Krone und Gehorsam gegen den elterlichen und 
väterlichen Einfluß, das müssen wir ans diesen Erinnerungen lernen. 
Und diesen Eigenschaften entspringen dann diejenigen, die wir mit 
Patriotismus bezeichnen, nämlich Unterordnung des eigenen Ich, des 
eigenen Subjekts zum Wohle des Ganzen; das ist es, was uns in dieser 
Zeit besonders nottut. Ich habe aber die feste Überzeugung, daß in den
	        
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