Full text: [Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband]] (Teil 6 = Obertertia - Untersekunda, [Schülerband])

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VI. Naturgeschichtliches. 
aktionen und Schlachten; sie zeigt uns ein Bild von der Entwicklung 
des menschlichen Geistes und verkündet uns seine Eroberungen, d. h. die 
Eroberungen der Humanität.- 
Die Astronomie beginnt, wie alle menschlichen Forschungen, mit 
vereinzelten Wahrnehmungen bei verschiedenen Völkern, und zuerst ahnt 
niemand den Zusammenhang zwischen diesen Einzelheiten. Allmählich 
aber vereinigen sich die zerstreuten Kenntnisse zu Gruppen, die Gruppen 
vereinigen sich zu einem höhern Ganzen, in dem man später ein einzelnes 
Glied eines noch allgemeineren Systenis erkennt. Und mit welcher freudigen 
Genugtuung muß es uns erfüllen, wenn wir sehen, daß alle gebildeten 
Nationen sich im Laufe der Zeit bereitwillig die Hände geboten haben, 
um mit vereinten Kräften diese edle Arbeit des Geistes zu fördern! — 
Welch großartiger Weg liegt vor unseren Augen! An seinem Anfange 
stehen die unbeholfenen Versuche, für die Einteilung der Zeit ein Maß 
zu gewinnen, und jetzt sind wir zu der Erkenntnis gelangt, daß unsere 
Sonne einer unter Millionen von Fixsternen ist, daß dieses ganze Fix¬ 
sternsystem einer von den unzählbaren Sternhaufen ist, und daß dieses 
weite Weltall, dessen Grenzen keine Phantasie zu ahnen vermag, durch 
ein einziges einfaches Gesetz regiert und erhalten wird. 
Und wie die anfangs vereinzelten astronomischer Kenntnisse allmählich 
zu einem Ganzen zusammenwuchsen, so hat auch die Astronomie, die 
zuerst ihren Weg für sich allein suchte, sich im Laufe der Zeit mit anderen 
Wissenschaften verbunden, mit der Geographie, mit der Optik und 
Mechanik, der Physik und Chemie, die wieder mit anderen Wissenschaften 
in inniger Beziehung stehen. So vereinigen sich alle Wege, auf denen 
der Mensch zur Erkenntnis der Wahrheit strebt, zu einer großen Straße: 
es gibt nicht verschiedene Wahrheiten in den verschiedenen Zweigen der 
menschlichen Forschung, sondern es gibt nur eine einzige, der wir uns 
von verschiedenen Seiten her zu nähern versuchen. 
Schon vieles, was dem Menschen unerklärbar und unbegreiflich und 
deshalb für ihn ein Gegenstand furchtsamer Bewunderung war, ist be¬ 
griffen und erkannt, das Naturgesetz, das der Erscheinung zu gründe liegt, 
ist entdeckt worden. Aber die wissenschaftliche Erklärung und das Ver¬ 
stehen der Erscheinungen raubt der Natur den Eindruck der Erhabenheit 
nicht; vielmehr erscheint sie dem denkenden Menschen eben wegen ihrer 
durchgängigen Gesetzlichkeit als das erhabenste Werk, dessen Urheber sich 
verborgen halten kann, ohne besorgen zu müssen, daß eine vernünftige 
Kreatur dadurch abgehalten werde, die Größe des Werkes und die Weis¬ 
heit und Macht seines Schöpfers zu fassen. Wer sich vor der Natur 
und ihrer unwandelbaren Gesetzmäßigkeit fürchtet, oder wer der Natur¬ 
wissenschaft feindselig entgegentritt, weil er besorgt, sie werde andere 
Dinge, die er selbst für wertvoll erachtet, schädigen: der kennt weder die
	        
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