Aus dem Nibelungenlied.
71. Noch eh der edle Markgraf ihn erreichte ganz,
ward getrübt vom Blute lichter Ringe Glanz.
Der Ehrbegier'gen jeder auf den Gegner drang;
vor scharfen Wunden deckten sie sich in schwerem Waffengang.
72. Vor ihrer Schwerter Schärfe kein Panzererz bestand.
Da schlug dem Helden Gernot Rüdegerens Hand
den kieselharten Helm durch, daß niederfloß das Blut.
Rüdegern vergalt es rasch der Ritter kühn und gut.
73. Rüdegerens Gabe schwang hoch seine Faust.
Ob er auch wund zum Tode, sie kam herabgesaust
bis auf des Helmes Spangen durch den Schild geschwind:
davon mußt' ersterben der edle Mann der Gotelind.
74. So reicher Gabe lohnte man so wohl nimmermehr.
Erschlagen fielen beide, Gernot und Rüdeger
einer durch den andern, im Kampf einander nah.
Da ergrimmte Hagen, als er das schwere Unglück sah.
75. So sprach der Held von Tronje: „Unheil trifft uns alll!
Wir nahmen solchen Schaden an dieser beiden Fall,
daß wir ihn nicht verwinden an Leuten je und Land.
Wir Heimatlosen nehmen nun Rüdegerens Schar zum Pfand.“
10. (XX) Wie Gunther und Hagen und Kriemhild erschlagen
wurden.
1. Als Dietrich vernommen, daß Hagens Mut so wild,
wie rasch hub zur Höhe der rüst'ge Held den Schild!
Wie stürmisch auf ihn Hagen von der Stiege sprang!
Schmetternd da auf Dietrich Niblungens gute Klinge klang.
2. Da merkte König Dietrich, daß voll von grimmem Groll
der kühne Hagen wäre. Es deckte mühevoll
sich der Herr von Berne vor manchem schweren Hieb.
Er fühlte, daß die Stärke Hagens noch die alte blieb.
3Z. Nicht minder war ihm Balmung als furchtbar bekannt;
doch vergalt die Hiebe Dietrich rasch gewandt,
bis er den tapfern Hagen zuletzt bezwang im Streit.
Er schlug ihm eine Wunde, die in die Tiefe ging und weit.
4. Es dachte da Herr Dietrich: „Dich schwächte Drang und Not:
ich hät! es wenig Ehre, lägst du vor mir tot.
Ich versuch' es anders, bis ich dich bezwang,
daß du mir folgst als Geisel.“ Schwer war's, bis dies der Held errang.