134
4
4
Größere epische Dichtungen.
Schehriar's im Waffendrang zu stürzen;
Doch bedenke, daß indessen Assur
Leicht ein Opfer fallen kann dem Wüthrich!
Lieber schlage drum des Friedens Weg ein:
Um zu bluten auf der Feuerinsel
120 Ward erlesen Dein gefangener Bruder;
Doch den König hat er nie beleidigt,
Keinen Groll hegt gegen ihn der König.
Wenn Du diesem, wär' es nur ein Drittheil
Deiner Diamanten beutst, so wird er
Statt des Lösegelds ein solches Kleinod
Gern empfangen für den Abbassiden.“
So die Fürstin. Ihr gehorcht der Jüngling;
Dieser Weg erscheint auch ihm der klügste.
Unbekannt war's Diwisaden, wie es
130 Unbekannt geblieben war dem Assad,
Daß der Führer jenes Zugs am Stadtthor,
Den im Kampf er niederstreckte, Behram
War gewesen, Schehriar's Erzeugter,
Ja, der eigene Nebenbuhler Assad's.
Drauf in Kaufmannstracht am nächsten
Morgen
Eilt der Jüngling nach der Stadt. In kurzer
Tage Frist gelingt bei Schehriar ihm
Offener Zutritt. Sich zur Erde beugend,
Reicht er fünf der größten Diamanten
140 Als Geschenke dem gierigen Herr—
scher.
Solch' unschätzbar hohen Schatz betrachtend,
Staunet lange Schehriar: ‚O Fremdling,“
Spricht er endlich, „jede königliche
Gnade sei für dies Geschenk gewährt Dir!“
Ihm erwiedert Assad: „Nichts erbitt' ich,
Nichts, als eines Deiner Sclaven Freiheit,
Eines Jünglings, der dem Feuerdienste
Ward bestimmt zum Opfer.“ Drauf der
König: —
„Nichts, fürwahr, für solchen Schatz erflehst
Du! —[finden
150 Nimm den Sclaven, wenn Du willsst; es
Meine Priester leicht ein neues Opfer;
Ja, gefällt Dir's, nimm die Knaben alle,
Die zur Zeit in meinem Kerker schmachten,
Wär' es selbst der laum zurückgefuͤhrte
Sohn des Harun Alraschid in Bagbad!“
Dies gesagt, entläßt er ihn. Mil frohem
Schlag des Herzens eilt von dannen Assad;
Aber, auf der Schwelle schon, gewahrt ihn
Jener Schergen Einer, die dem Behram
160 Nach dem Schiff gefolgt; in's Auge
faßt er
Scharf den Jüngling, starret immer wieder
Ihm in's Aug' und rust zuletzt, die Thür
ihm
Weigernd, gegen Schehriar die Worte:
„Dies, o Herr, ist Deines Sohnes Mörder!“
Racheschnaubend springt empor der König,
Seines Hofs Trabanten übergibt er,
Wuth im Blick, den edlen Abbassiden.
Diese schleppen ihn gefesselt mit sich
In's Gefängniß. Finstere Plane brütet
170 Schehriar und überlegt Vergeltung.
Doch wir wenden nach Amin zurück uns,
Welcher weit indeß umhergepilgert,
Stets umsonst der schönen Heliodora
Spur verfolgend und die Spur des Räubers.
Endlich langt er an im Lande Kaschmir.
Dort, gesellend einem Wandersmann sich,
Kündet dieser ihm verbürgte Sage:
Eine Jungfrau sei im Reich erschienen,
Wundervoll, auf einem Flügelpferde.
180 Sie begrüßt, empfangen habe Kaschmirs
Greiser Sultan, doch in Lieb entzündet,
Seine Hand geboten ihr und Krone;
Doch sie habe stets sich ihm geweigert,
Ja, sie sei zuletzt in tiefe Schwermuth,
Die dem Wahnsinn ähnlich war, versunken,
Sei's Verstellung oder wahre Krankheit.
Seine klügsten Aerzte habe Kaschmirs
Greiser Sultan aufgefordert, keinem
Sei gelungen jenes Uebels Heilung.
190 Hohe Preise habe dann der Sultan
Dem gesetzt, durch dessen Kunst der Jungfrau
Gram genese. Dies erzählt dem Prinzen
Jener Pilger. Mächtig fühlt Amin sich
Aufgeregt im Geist; er eilt zur Hauptstadt.
Sinnend, wie er seine Heliodora
Mög' erlösen aus tyrannischer Willkür,
Schwillt das bange Herz so sorgenvoll ihm,
Gleich dem Dichter, der ein hohes Werk sich
Ausgedacht in seinem Geist und welchem,
200 Bis vollendet er's in That und Worten,
Füllt erhabene Bangigkeit die Seele.
Vor den Sultan läßt der Abbasside
Sich geleiten, dann gebückt beginnt er:
„Ein arabischer Arzt, gewaltiger Herrscher,
Steht vor Dir; ich hörte Dein erlauchtes
Aufgebot, und biete meine Kenntniß,
Meine Dienste gern Dir an. Zur Fürstin
Führe mich, und sei gewiß der Heilung!“
Gnädig neigt sich ihm der greise Sultan,
210 Dann befiehlt er seinen Sclaven, Zu—
tritt
Ihm zu gönnen bei der edlen Jungfrau.
Äber ehe noch Amin zu ihr eilt,
Sendet erst er einen Brief, erflehend
Ihr Vertrau'n vor Allem, baldige Rettung
Ihr verheißend und zugleich betheuernd,