Full text: Deutsches Lesebuch für die mittleren Classen höherer Lehranstalten

(Indem die Uebrigen einen Augenblick in der Tiefe 
Herweilen und sich begrüßen, kommt Melchthal und 
Stauffacher vorwärts.) 
St. Vor Allem sagt mir, wer die Freunde 
sind, 
Und die gerechten Männer, die Euch folgten? 
Macht mich bekannt mit ihnen, daß wir uns 
Zutraulich nahen und die Herzen öffnen. 
(Unterdessen sind die anderen Landleute vorwärts 
gekommen, und nähern sich den Beiden.) 
Meier. Wer kennte Euch nicht, Herr, in 
den drei Landen? 
Ich bin der Meier von Sarnen; dies hier ist 
Mein Schwestersohn, der Struth von Win— 
kelried. 
St. Ihr nennt mir keinen unbekannten 
Namen. — 
Ein Winkelried war's, der den Drachen schlug 
Im Sumpf bei Weiler, und sein Leben ließ 
In diesem Strauß. 
Wink. Das war mein Ahn, Herr Werner. 
Melchthal (zeigt auf zwei Landleute). Die 
wohnen hinterm Wald, sind Klosterleute 
Vom Engelberg. — Ihr werdet sie drum nicht 
Verachten, weil sie eigne Leute sind, 
Und nicht, wie wir, srei sitzen auf dem Erbe — 
Sie lieben's Land, find sonst auch wohl be— 
rufen. 
St. (zu den Beiden) Gebt mir die Hand! 
Es preise sich, wer Keinem 
Mit seinem Leibe pflichtig ist auf Erden; 
Doch Redlichkeit gedeiht in jedem Stande. 
CiHunn. Was ist Herr Reding, unser 
Altlandammann. 
Meier. Ich kenn' ihn wohl. Er ist mein 
Widerpart, 
Der um ein altes Erbstuͤck mit mir rechtet; 
Herr Reding, wir sind Feinde vor Gericht; 
Hier sind wir einig. 
(Schüttelt ihm die Hand.) 
St. Das ist brav gesprochen. 
Winl. hoͤrt Ihr? Sie kommen. Hört das 
Horn von Uri! 
(Rechts und lints sieht man bewaffnete Männer 
mit Windlichtern die Felsen herabsteigen) 
Auf der Mauer. Sehtl steigt nicht selbst 
der sromme Diener Gottes, 
Der würd'ge Pfarrer mit herab? Nicht scheut er 
Des n Muͤhen und das Graun der Nacht, 
Ein treuer Hirte für das Volk zu sorgen. 
B. Der Sigrist folgt ihm und Herr Wal— 
ther Fürst; 
Doch nicht den Tell erblich ich in der Menge. 
(Walther Fürst, Rösselmann der Pfarrer, Peter⸗ 
mann der Sigrist, Kuoni der Hirte, Werni der 
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Drama. 
Jäger, Ruodi der Fischer und noch fünf andere 
Wudleute, alle zusammen, drei und dreißig an det 
Zahl, treten vorwärts und stellen sich um das 
Feuer.) 
W. F. So müssen wir auf unserm eignen 
Erb' 
Und väterlichen Boden uns verstohlen 
Zusammenschleichen, wie die Mörder thun, 
Und bei ber Nadt, die ihren schwarzen Mantel 
Nur dem Verbrechen und der sonnenscheuen 
Verschwörung leihet, unser gutes Recht 
Uns holen, das doch lauter ist und klar, 
Gleichwie der glanzvoll offne Schoß des Tages. 
Melchthal Laßt's gut sein. Was die 
dunkle Nacht gesponnen, 
Soll frei und sröhlich an das Licht der Sonnen. 
R. Hört, was mir Gott in's Herz gibt, 
Eidgenossen! 
Wir stehen hier statt einer Landsgemeine, 
Und können gelten für ein ganzes Volk. 
So laßt uns tagen nach den alten Bräuchen 
Des Lands, wie wir's in ruhigen Zeiten 
pflegten; 
Was ungesetzlich ist in der Versammlung, 
Entschuldige die Noth der Zeit. Doch Gott 
Ist überall, wo man das Recht verwaltet, 
Ünd unter seinem Himmel stehen wir. 
St. Wohl laßt uns tagen nach der alten 
Sitte 
Ist es gleich Nacht, so leuchtet unser Recht. 
Melchthal. Ist gleich die Zahl nicht voll, 
das Herz ist hie 
Des ganzen Volks; die Besten sind zugegen. 
. h. Sind auch die alten Bücher nicht 
zur Hand, 
Sie sind in unsre Herzen eingeschrieben. 
R. Wohlan, so sei der Ring sogleich ge— 
bildet. 
Man pflanze auf die Schwerter der Gewalt! 
A. dM. Der Landesammann nehme sei— 
nen Platz, 
Und seine Weibel stehen ihm zur Seite! 
Sig. Es sind der Völker dreie. Welchem 
nun 
Gebührt's, das Haupt zu geben der Gemeinde? 
Meler. Um diese Ehr' mag Schwyz mit 
Uri streiten; 
Wir Unterwaldner stehen frei zurück. 
Melchthal. Wir stehn zurück, wir sind 
die Flehenden, 
Die Hilfe heischen von den mächt gen Freunden. 
St. So nehme Uri denn das Schwert; sein 
Banner 
Zieht bei den Römerzügen uns voran.
	        
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