Kleinere epische Dichtungen.
Und aus der sieben Wunden des Heilands
jeder bricht
Ein Hundert Strahlen blitzend dem Feind
in's Angesicht.
8 Und auf die Stirnen fallen die sieben—
hundert Mann,
im Staube den großen
Sieger an;
Und Erich und die Seinen frohlocken gott—
erhellt:
„Wer sich zu Gott gestellet, der hat sich
wohl gestellt!“
Seidl.
145. Die Skieläufer.
1 ,Wer klopft so eilig und mit Macht
An meiner Thür in später Nacht?
's mag ein verirrter Wand'rer sein!
Du ärmster Mann, tritt hurtig ein!“
Er legt die Arbeit schnell zur Seiten,
Ergreift den Kieferspan mit Hast,
Und eilt in's nied're Haus zu leiten
Mit frohem Gruß den fremden Gast.
2 Der Riegel knarrt, er tritt hinaus, —
Er steht gelähmt vom nächt'gen Graus,
Die Leuchte seiner Hand entfällt:
Er sah vom Feind das Haus umstellt.
Schnell greifen ihn vier kräft'ge Arme,
Und zieh'n ihn von der Schwelle fort;
Und einer aus dem wilden Schwarme
Gibt ihm das unwillkomm'ne Wort:
3 „Du führ'st uns den verbor'gnen Pfad,
Hoch über den Kiölengrat,
Zur nächsten Stadt in Norreland;
Denn wider sie ist unsre Hand.“
Doch er mit männlichem Erröthen:
„Unmögliches verlanget Ihr!
Wann hiell's ein Norman mit den Schweden?
Ihr kamt nicht vor die rechte Thür.“
4 Und sie mit wilder Ungeduld:
„Ob ungern, oder ob mit Huld,
Das gilt uns gleich! Du hast die Wahl
NRur zwischen Gold und hartem Stahl.
Ein nächtger Gang von wenig Meilen
Beftreit Dich schnell aus aller Noth:
Bleibst Du, so stirb! und mit Dir theilen
Dein Weib und Kind den Rachetod.“
5 Zusammen brach der kraftge Mann,
Der Schweiß von seiner Stirne rann;
Zwiespältig ringt in ihm der Geist,
Bis sich empor der Norman reißt,
Und spricht das Wort voll Grimm und
Schmerzen:
„Ihr Jünglinge, vergelt' Euch Gott,
Daß Ihr mit eines Mannes Herzen
Treibt solch' unmenschlich Spiel und Spott!
6 Wohlan! nicht um den eig'nen Leib,
Nur um die Kindlein und mein Weib
Füg' ich mich Eurem hartem Zwang;
Den Sündensold ich nicht verlang'.“
Er wendet sich in's Haus und bindet
Die Schneeschuh' an den Knöcheln fest,
Ergreift den hohen Stab und zündet
Die Leuchte an dem Kohlenrest.
7 Noch einmal fällt sein trüber Blick
Auf seine Theueren zurück;
Sie schlummern ohne Sorg' und Harm
So selig, wie in Gottes Arm;
Und leise spricht er seinen Segen:
Dann tritt er vor den Kriegerzug;
Er schreitet aus und rasch entgegen
Dem Hochgebirge geht's im Flug.
8 Da saus't der Skie, da stäubt der Schnee,
Aus braunen Nebeln schwankt die Höh'.
Vorüber fliegt im Geisterreihn
Der Wassersturz, der Fels, der Hain;
Im Schwung und Sprung auf glatten Sohlen
Durchbraus't der Hauf die Winterflur,
Es keucht der Sturm, ihn einzuholen,
Und tilgt die flüchtge Menschenspur.
9 So durch der Schluchten Doppelnacht
Zur Höh', wo die Lawine kracht,
Ünd ob des Gießbach's schwanken Steg
Führt er sie den verborg'nen Weg.
Dem matten Scheine der Laterne
Folgt keck der rasche Kriegerhauf,
Und endlich hebt sich in der Ferne
Die schwerbedrohte Stadt herauf.
10 Dort lag sie, * einsam Thurm und
or,
Kein Lichtlein schimmert d'raus hervor,
Und wie die Wolke trüb und schwer
Lag Mitternachtsschlaf dirüber her.
Er siehts mit Graͤun, hört die Bedränger
Jetzt kühner stürmen durch das Feld,
Merkt, wie der Feind sich immer enger
An seine flücht'gen Fersen hält.
I1 Er schaut hinüber, schaut zurück,
Und Alles flirrt vor seinem Blick;
Es ruft aus jedem Busch und Rohr:
„Norman, halt ein! was hast Du vor?“
Da muß er vor sich selbst erbeben;
Er seufzet, bis zum Tode matt:
„O Herr, nimm hin mein schuldig Leben,
Errette nur die gute Stadt!“