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Frau von Stein werde ich bald wieder sehen; käm es auf meinen
Wunsch an, ich besuchte sie alle Tage; es ist mir wohl in ihrer Gesellschaft.
Frau von Imhof ist vor acht Tagen in dieser fürchterlichen Kälte nach
Baireuth mit ihrem Sohn im Schlitten abgefahren und wird dieser Tage
wieder zurückkommen. Goethe war einige Tage nicht wohl; er bekam
einen Hnfall von bösem hals, hat sich aber wieder gebessert.
Leben Sie nun recht wohl und verwahren Sie sich ja vor der bösen
Kälte, daß Sie nicht krank werden. Vas wird wahrhaftig ein fürchterlicher
Winter, und Sie beide besonders sind übel daran, wären alle Winter
so streng, so müßten wir der Sonne um zehn Grade näher rücken.
Ich weiß nicht, wie lang dieser Brief unterwegs sein wird, neulich
war's zu spät, ihn noch auf die Post fertig zu bringen, was macht Ihre
Mutter? hoffentlich ist sie doch jetzt von Zahnweh frei? Schreiben Sie
mir davon. Udieu! Udieu! Ihr Schiller.
93. Lotte an Schiller.
Den 11. Februar (1790) gegen 5 Uhr.
(Es ist mir ein eigenes schönes Gefühl, wenn ich denke, daß wir in
einigen Wochen zusammen sind und uns nichts mehr trennen kann von
außen, und das, was uns trennen könnte, wird es nie; denn unsre herzen
werden sich immer näher sein, und nichts Fremdes wird sich zwischen Deine
und meine Liebe stellen. Ich fühle es tief, es ist ein eigenes, zartes Band,
das uns aneinander knüpfen wird. Offen und frei wird meine Seele sich
vor vir entfalten. Ts fiel mir letzt ein, daß ich zuweilen vir könnte auf¬
fallen und Vu mich nicht so verstehen; es ist in meinem Umgang mit vir
oft eine Zurückhaltung, die Vir in den Momenten, wo wir uns am nächsten
sind, auffallen könnte. Uber dies kommt von dem langen Zwang her, den
sich meine Neigung hat tun müssen durch Umstände. Bald war ich, wie
vu in N(udolstadt) warst zuerst, über Dich selbst ungewiß; bald wollte
ich mich den Beobachtungen der edere mère und andern entziehen, und
dies Uchtunggeben auf mich selbst hat noch dies in mir zurückgelassen, bilde
ich mir ein, daß ich noch immer einen Unschein von Zwang habe, als könnte
sich mein herz nicht so ganz frei vor vir enthüllen. Dies wird sich ver¬
lieren, und vu wirst klar und deutlich fühlen, wie frei meine Seele vor
vir sich in mancherlei Gestalten wandelt. Ja wir werden glücklich sein!
Meine Buhe, wenn ich an die Zukunft denke, ist eine Uhnung meines zu¬
künftigen Lebens. Mögen die Menschen um uns her denken und sagen,
was sie wollen, wir brauchen sie nicht. Ts ist mir nur zuweilen ärgerlich,
daß sich die Menschen um mich bekümmern, da ich ihrer so gerne ganz
vergessen kann. Uber eben deswegen, da sie mir so gleichgültig sind,
mögen sie auch sagen und tun, was sie wollen.
Udieu, Lieber! Leb' wohl, lieber Teurer! ; ** *