manches, worüber ich mit mir selbst nicht recht einig werden konnte, hat
die Anschauung Ihres Geistes (denn so muß ich den Totaleindruck Ihrer
Ideen auf mich nennen) ein unerwartetes Licht in mir angesteckt. Mir fehlt
das Gbjekt, der Körper, zu mehreren spekulativischen Ideen, und Sie
brachten mich auf die Ipur davon. Ihr beobachtender Blick, der so still
und rein auf den Dingen ruht, setzt Sie nie in Gefahr, aus den Rbweg zu
geraten, in den sowohl die Ipekulation als die willkürliche und bloß sich
selbst gehorchende Einbildungskraft sich so leicht verirrt. In Ihrer richtigen
Intuition liegt alles und weit vollständiger, was die Nnalpfis mühsam
sucht, und nur weil es als ein Ganzes in Ihnen liegt, ist Ihnen Ihr
eigener Reichtum verborgen,' denn leider wissen wir nur das, was wir
scheiden. Geister Ihrer Rrt wissen daher selten, wie weit sie gedrungen
sind, und wie wenig Ursache sie haben, von der Philosophie zu borgen,
die nur von ihnen lernen kann. Diese kann bloß zergliedern, was ihr ge¬
geben wird, aber das Geben selbst ist nicht die Iache des Analytikers,
sondern des Genies, welches unter dem dunkeln, aber sichern Einfluß
reiner Vernunft nach objektiven Gesetzen verbindet.
Lange schon habe ich, obgleich aus ziemlicher Herne, dem Gang Ihres
Geistes zugesehen und den U)eg, den Sie sich vorgezeichnet haben, mit
immer erneuter Bewunderung bemerkt. Sie suchen das Notwendige der
Natur, aber Sie suchen es auf dem schweresten Wege, vor welchem jede
schwächere Kraft sich wohl hüten wird. Sie nehmen die ganze Natur
zusammen, um über das einzelne Licht zu bekommen; in der Allheit ihrer
Erscheinungsarten suchen Sie den Erklärungspunkt für das Individuum
auf. von der einfachen Organisation steigen Sie, Schritt vor Schritt, zu
den mehr verwickelten hinauf, um endlich die verwickelste von allen, den
Menschen, genetisch aus den Materialien des ganzen Naturgebäudes zu
erbauen. Dadurch, daß Sie ihn der Natur gleichsam nacherschaffen, suchen
Sk in seine verborgene Technik einzudringen. Eine große und wahrhaft
heldenmäßige Idee, die zur Genüge zeigt, wie sehr Ihr Geist das reiche
Ganze seiner Vorstellungen in einer schönen Einheit zusammenhält. Sie
können niemals gehofft haben, daß Ihr Leben zu einem solchen Ziele zu¬
reichen werde, aber einen solchen weg auch nur einzuschlagen, ist mehr
wert, als jeden andern zu endigen — und Sie haben gewählt, wie Achill
in der Ilias zwischen phthia und der Unsterblichkeit, wären Sie als ein
Grieche, ja nur als ein Italiener geboren worden, und hätten schon von
der wiege an eine auserlesene Natur und eine idealisierende Kunst Sie
umgeben, so wäre Ihr weg unendlich verkürzt, vielleicht ganz überflüssig
gemacht worden. Schon in die erste Anschauung der Dinge hätten Sie
dann die Horm des Notwendigen ausgenommen, und mit Ihren ersten
Erfahrungen hätte sich der große Stil in Ihnen entwickelt. Nun, da Sie
ein Deutscher geboren sind, da Ihr griechischer Geist in diese nordische
Schöpfung geworfen wurde, so blieb Ihnen keine andere Wahl, als ent¬
weder selbst zum nordischen Künstler zu werden, oder Ihrer Imagination