Full text: [Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband]] (Teil 6 = (10. Schuljahr), [Schülerband])

\06> Goethe an Schiller. 
Zu meinem Geburtstag, der mir diese Woche erscheint, hätte mir kein 
angenehmer Geschenk werden können als Ihr Brief, in welchem Sic mit 
freundschaftlicher Hand die Zumme meiner Existenz ziehen und mich durch 
Ihre Teilnahme zu einem emsigern und lebhafteren Gebrauch meiner 
Kräfte aufmuntern. 
Beiner Genuß und wahrer Nutzen kann nur wechselseitig sein, und 
ich freue mich, Ihnen gelegentlich zu entwickeln: was mir Ihre Unter¬ 
haltung gewährt hat, wie ich von jenen Tagen an auch eine Epoche rechne, 
und wie zufrieden ich bin, ohne sonderliche Aufmunterung auf meinem 
Wege fortgegangen zu sein, da es nun scheint, als wenn wir, nach einem 
so unvermuteten Begegnen, miteinander fortwandern müßten. Ich habe 
den redlichen und so seltenen Ernst, der in allem erscheint, was Sie ge¬ 
schrieben und getan haben, immer zu schätzen gewußt, und ich darf nun¬ 
mehr Anspruch machen, durch Sie selbst mit dem Gange Ihres Geistes, 
besonders in den letzten Jahren, bekannt zu werden, haben wir uns 
wechselseitig die Punkte klar gemacht, wohin wir gegenwärtig gelangt sind, 
so werden wir desto ununterbrochener gemeinschaftlich arbeiten können. 
Alles, was an und in mir ist, werde ich mit Freuden mitteilen. Venn 
da ich sehr lebhaft fühle, daß mein Unternehmen das Maß der mensch¬ 
lichen Uräfte und ihrer irdischen Dauer weit übersteigt, so möchte ich 
manches bei Ihnen deponieren und dadurch nicht allein erhalten, sondern 
auch beleben. 
Wie groß der Vorteil Ihrer Teilnehmung für mich sein wird, werden 
Sie bald selbst sehen, wenn Sie, bei näherer Bekanntschaft, eine Art 
Dunkelheit und Zaudern bei mir entdecken werden, über die ich nicht Herr 
werden kann, wenn ich mich ihrer gleich sehr deutlich bewußt bin. Doch 
dergleichen Phänomene finden sich mehr in unserer Natur, von der wir 
uns denn doch gerne regieren lassen, wenn sie nur nicht gar zu tyran¬ 
nisch ist. 
Ich hoffe bald einige Zeit bei Ihnen zuzubringen, und dann wollen 
wir manches durchsprechen. 
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f07. Die Xenien, ein Denkmal des vereinigten Schaffens 
von Goethe und Schiller. 
Vas doppelte Amt. 
Zaiten rühret Apoll, doch er spannt auch den tötenden Bogen,- 
Wie er die Hirtin entzückt, streckt er den Python in Ztaub. 
viele Bücher genießt ihr, die ungesalzen,- verzeihet, 
Daß dies Büchelchen uns überzusalzen beliebt.
	        
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