den Geschlechtern, und ihr hoffärtiges, eigenwilliges Wesen deuchte ihm
ganz edel und sein. Überdies war Parteizucht dem Manne unbequem,
dem jede Zucht mißfiel; er rührte sich nicht, wo er Hände voll Gold
gewinnen konnte: wie sollte er sich rühren, wo vielleicht nur der Galgen
zu gewinnen starü ~ _ •
2.
In jenen aufgeregten Tagen hatte Richwin einen prächtigen jungen
Hund zum Geschenk erhalten, der mindestens doppelt so aufgeregt war
wie die Wetzlarer Bürger und dreimal so eigensinnig wie sein Herr,
einen großen schwarzen Wolfshund von spanischer Rasse, kaum drei viertel
Jahr alt, noch ganz ungezogen, täppisch und allen Mutwillens voll.
Der Hund hieß Thasso und machte seinem Namen Ehre, welcher
einen Schläger oder Streiter bedeutet. Denn Streiten und Raufen
ohne Ende war seine Lust, und obgleich er, höchst gutartig, fast nur im
Spiel kämpfte, so war doch ein Spiel mit Thasso nicht jedermanns
Vergnügen. Ging ein ehrsamer Bürger auffallend raschen Schrittes
durch die Straße, flugs sprang Thasso hinterdrein und zupfte ihn neckisch
am Wams, riß aber auch gleich einen handgroßen Fetzen Tuch mit
herunter. Oder er sah ein Kind, so sprang er spielend zu ihm hin
und warf es im ersten Anlauf mit seinen breiten Tatzen in die Gosse.
Am ergötzlichsten aber war Thasso, wenn ein Reiter rasch vorbeitrabte.
Gleich einem Raubtier setzte dann der Hund in Riesensprüngen dem
' Pferde nach, umkreiste es, hüpfte ihm zum Kopfe hinauf, dann wieder
zum Schweif, schnappte dem Reiter nach der Hand oder schlüpfte dem
bäumenden Rosse unter dem Bauche durch, ohne jemals einen Huftritt,
davonzutragen. Er biß nicht, er spielte bloß; aber die Pferde scheuten,
wichen zurück, stiegen hoch auf oder gingen trotz Zügel und Schenkel
gestreckten Laufes durch, als säße ihnen der Satan im Nacken.
Rief dann Meister Richwin den Hund zurück, so hielt dieser augen¬
blicklich ein, blickte seinen Herrn an, als wollte er sagen: Ich kann's
noch viel besser, und verfolgte drauf das Pferd mit verdoppelter Lust.
Drohte und schalt Richwin aber gar, so verwandelte sich das Spiel des
Hundes in Zorn, er bellte und biß und lief dann aus Furcht vor der
Strafe davon, durchschwärmte die halbe Stadt, trieb unterwegs allerlei
neuen Unfug und schlich erst spät und ganz heimlich nach Hause zurück.
Nun erhielt er freilich seine Hiebe. Diese verstand der Hund jetzt aber
falsch; denn da er die erste Ursache der Strafe längst vergessen hatte, so
glaubte er, man prügle ihn, weil er nach Hause komme, und blieb das
nächste Mal um so länger fort.
Also nahm sich Meister Richwin vor, den Hund auf frischer Tat
zu bestrafen. Da lies dann der Hund hinter dem Reiter her und
Richwin hinter dem Hund. Endlich stand der Hund und ließ, tief
zerknirscht, den Schwanz zwischen den Beinen, seinen Herrn herankommen.
Porger-Lemp, Lesebuch. Vin. 12