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Bazillen abzuschlagen, besonders wenn diese nicht sehr kräftig sind. Dann
bildet der einmal dazu angeregte Körper so reichlich Schutzstoffe, daß
ihn später auch sehr lebenskräftige Erreger nicht mehr krank machen
können, er wird immun. Umgekehrt muß der unvorbereitete, noch nicht
geschützte Körper dem Ansturm lebensfrischer Bakterien natürlich erliegen,
und je leichter er erliegt, desto mehr erscheint er disponiert. Keinesfalls
aber ist mit dem Eintritt des Erregers ohne weiteres die Krankheit ge¬
geben. Ob der Organismus krank wird, das hängt sowohl von der
Kraft des Erregers, wie von der Widerstandsfähigkeit des Körpers ab:
je nachdem die eine die andere überwiegt, ist das Resultat verschieden.
So sanken die einst so festen Säulen Disposition und Immunität zu
ganz veränderlichen Größen herab. Ja, in neuester Zeit fand man sogar,
daß die Immunität aus einen Teil des Körpers, auf bestimmte Gewebe
oder Organe beschränkt sein kann. Häufig ist solche örtliche Immunität
bei Leuten, die eine Infektionskrankheit, wie Typhus, Cholera, Genick¬
starre usw., überstanden haben. Bei ihnen können sich vollkommen
lebensfrische Bazillen Wochen und Monate lang aufhalten, ohne daß
sie von neuem erkranken. Wohl aber sind solche „Bazillenträger", wie
man sie genannt hat, eine Gefahr für die Umgebung. Wird doch ein
Fall berichtet, wo eine Typhusbazillenträgerin, eine Köchin, bei nicht
weniger als sieben Familien den Ausbruch einer Hausepidemie veranlaßt
hatte. Das neue Seuchengesetz berücksichtigt deshalb solche Bazillenträger
ganz besonders.
Wir haben uns nun bisher mit dem Bestreben des Körpers, die
Bazillen gifte durch selbstverfertigte Gegengifte zu neutralisieren, be¬
schäftigt. Aber der Organismus macht auch gegen die Bazillen selbst
mobil. Er erzeugt noch andere Stoffe, die imstande sind, die lebenden
Bazillen anzugreifen und zu töten, man nennt sie Alexine oder neuer¬
dings Komplemente. Dieser Vorgang ist jedoch nicht ganz einfach, in¬
sofern nämlich die Komplemente allein zunächst den Bakterien nichts
anhaben können. Es bedarf erst einer zweiten Substanz, des Ambozeptors,
die sowohl zu den Bazillen wie zum Komplement Hinneigung hat, um
gewissermaßen das Komplement an die Bakterien heranzubringen, damit
es seine abtötende Wirkung entfalten kann. Der Vorgang ist zu ver-.
gleichen mit der Wirkung der Beizstüssigkeit in der Färberei. Die Baum¬
wollenfaser läßt sich von gewissen Farbstoffen nicht ohne weiteres färben;
spült man sie mit Wasser ab, so erscheint sie immer wieder weiß, wie
lange sie auch in der Farbbrühe gelegen hat. Bringt man sie aber in
eine geeignete Beize, die einerseits mit der Faser, anderseits auch mit
der Farbe chemische Beziehungen einzugehen vermag, so wird sie dauerhaft
gefärbt. Die Rolle der Beize spielt also zwischen Bakterium und Kom¬
plement der sog. Ambozeptor. Unter dem Einstuß dieser Substanzen ist
der Körper imstande, die eingedrungenen Erreger zu töten und aufzulösen.