§ 153. Der Ausgang der Regierung Wilhelms I. und Kaiser Friedrich III. 249
durch weise Gesetzgebung, durch den Schutz der nationalen Arbeit und
warme Fürsorge für das Los der gedrückten Stände zu innerer ®$egSng.er
Festiguug und durch eine überlegene äußere Politik zu einer füh-
reTiTen Stellung unter den europäischen Nationen. Was sich als
Frucht der gesegneten Wirksamkeit des Kaisers im Herzen des
deutschen Volkes an Liebe und Verehrung ansammelte, das kam an
den nationalen Erinnerungstagen der 70er und der 80er
Jahre zum Ausdruck, am meisten bei der Feier des 80. und 90. Ge¬
burtstages des Kaisers.
2. Zum letzten Mal trat Wilhelm I. in der Öffentlichkeit bei der
Grundsteinlegung des Nordostseekanals hervor, die im Juni 1887 in
Holtenau erfolgte. Anfang März des darauffolgenden Jahres erkrankte
der Kaiser, der noch auf dem Sterbebette nicht Zeit hatte, „müde zu
sein" und am 9, März 1888 schloß der 91 jährige Greis für immer f 9- Marz ms.
die Augen, tiefgebeugt dur^das traurige Geschick seines weit im Süden
weilenden einzigen Sohnes, des Thronfolgers, den ein unheilbares Leiden
befallen hatte. Gleich darauf verkündete Bismarck das Ableben des
Kaisers im Reichstag. Dabei sagte er: „Die heldenmütige Tapferkeit,
das nationale hochgespannte Ehrgefühl und vor allen Dingen die treue,
arbeitsame Pflichterfüllung im Dienste des Vaterlandes und die Liebe
zum Vaterlande, die in unserem dahingeschiedenen Herrn verkörpert
waren, mögen sie ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein!"
Der Kaiser wurde im Mausoleum zu Charlottenburg an der
Seite seiner Eltern beigesetzt.
3. Dem Begründer des Reiches folgte sein Sohn in der Regierung, Friedrich in.
als Kronprinz Friedrich Wilhelm, als Kaiser Friedriche III.
Sein Los war von erschütternder Tragik. Einst hatte er durch seine
„Siegfriedsgestalt", durch Herzensgüte und ritterliches Wesen alle
Herzen bezaubert und im nationalen Kampfe gegen Frankreich nord-
und süddeutsche Heere durch seine sichere Führung und ein helden¬
haftes Verhalten zur Bewunderung hingerissen; jetzt bestieg er als tod¬
wunder Mann mit gebrochener Kraft den Thron Preußens und des
mächtigen Deutschen Reiches. Am 11. März traf der Kaiser in Char-
lottenburg ein und in den folgenden Tagen erschienen seine Erlasse
an sein Volk, den Kanzler, den Reichstag und den preußischen Landtag,
worin er sein Regierungsprogramm kundgab und die Fortführung
der Friedenspolitik seines Vaters in Aussicht stellte. Die furchtbare
Krankheit machte Fortschritte. Arn l^MlgSS brachte der Tod
dem Dulder auf dem Kaiserthron nach einer Regierung von 99 Tagen
Erlösung von seinen Leiden. Sein Sohn Wilhelm II. trat an die K* - w
Spitze Preußens und des Deutschen Reiches (Dreikaiserjahr). -l.3 ■ . f