Full text: [Band 5 = Ober-Tertia und Unter-Sekunda, [Schülerband]] (Band 5 = Ober-Tertia und Unter-Sekunda, [Schülerband])

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fort ausgesandter Adjutant bestätigte die Vermutung. Gewaltsam suchte 
sich der Kaiser zu beruhigen. Es war ja doch sicher nur das eine Korps 
Bülows, vielleicht nur ein Teil davon; und voraussichtlich war Welling— 
ton bereits geschlagen, ehe die Preußen in die Schlacht eingreifen konnten. 
Vorläufig schickte Napoleon zwei Kavallerie-Divisionen ostwärts über den 
rechten Flügel der Schlachtstellung hinaus. Seinen Offizieren aber sagte 
er mit zuversichtlicher Miene, Marschall Grouchy, den er nach der Schlacht 
bei Ligny zu Blüchers Verfolgung zurückgelassen hatte, ziehe zur Unter— 
stützung der rechten Flanke herbei. Die Armee durfte von der Gefahr 
nichts ahnen. Inzwischen war Erlons Angriff nach mörderischem Ringen 
zurückgeschlagen worden. Zugleich wurde es immer deutlicher, daß jeden— 
falls ein beträchtlicher Teil der preußischen Armee im Anmarsch war. 
Noch stand es dem Imperator frei, die Schlacht abzubrechen; aber wie 
hätte der Stolze einen so kleinmütigen Entschluß fassen können? Er 
sandte das Korps Lobaus über Plancenoit hinaus den Preußen ent— 
gegen. Seine Schlachtstellung bildete nunmehr statt einer einfachen Linie 
einen auf der Rechten rückwärts gebogenen Haken. Aus Furcht vor dem 
Angriff der Preußen wagte er auch nicht mehr, die 24 Bataillone seiner 
Garde, die noch unberührt in Reserve standen, gegen die Engländer 
vorzuschicken, sondern beschloß, mit seiner gesamten Kavallerie das Zen— 
trum Wellingtons zu durchbrechen: ein aussichtsloses Beginnen, da die 
Hhauptmasse des Fußvolkes der Verbündeten noch unerschüttert war. 
Blücher war am Morgen von Wavre aufgebrochen. Die alten 
Glieder wollten sich noch gar nicht erholen von dem bösen Sturze vor— 
gestern; doch wer durfte dem alten Helden heute von Ruhe und Schonung 
sprechen? „Lieber,“ rief er aus, „will ich mich auf dem Pferde fest— 
binden lassen als diese Schlacht versäumen!“ Wohlgemut ritt er in— 
mitten der Regimenter, die sich mit unsäglicher Anstrengung durch den 
tiefen Schlamm hindurcharbeiteten. Ein Brand in Wavre hatte den Marsch 
erheblich verzögert. Die Soldaten frohlockten, wo der Feldherr sich zeigte, 
traten mit lautem Zuruf an ihn heran und streichelten ihm die Knie. 
Er hatte für jeden ein ermunterndes Wort: „Kinder, ich habe meinem 
Bruder Wellington versprochen, daß wir kommen. Ihr wollt mich doch 
nicht wortbrüchig werden lassen?“ Und sie ließen den Alten nicht wort— 
brüchig werden. Gegen Mittag war über die hälfte des Weges zurück— 
gelegt. Zietens Korps ging nunmehr gegen die rechte französische Flanke 
vor, während die beiden anderen Korps, das Bülows voran, sich gegen 
den Rücken der französischen Aufstellung, nach dem nordöstlich von Plan— 
cenoit gelegenen Walde wandten. Etwa um 4 Uhr begannen Bülows 
Regimenter in diese Stellung einzurücken. Die Generale hielten am Rande 
des Waldes und verfolgten mit gespannten Blicken den Gang der Schlacht.
	        
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