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besitzer kann sich keinen Deich erbauen. Wenn er wirklich längs seiner
Grenze einen Damm gegen den Fluß baute, so würde das Wasser von
seiten seines oberhalb und seines unterhalb angesessenen Nachbars über
seine Flur hinströmen und ihn zugrunde richten. Aber die sämtlichen An—
bauer der Niederung können sich durch einen Deich schützen, der das
Wasser des Flusses von ihrem ganzen Besitztum abhält. Sie stellen ihn
auf gemeinsame Kosten her nach dem Maßstabe des Nutzens, den sie von
dieser Einrichtung haben. Die Notwendigkeit des Deiches und der
für dessen Erhaltung aufzubringenden Steuer liegt auf der hand.
Der einzelne kann sich der Einsicht in diese Notwendigkeit nicht
entziehen. Er kann sich allerdings vorstellen, daß, wenn er seinen Bei—
trag für die Deichlast zurückhielte, das Interesse aller seiner Nachbarn
noch immer stark genug bliebe, um auch ohne seine Mitwirkung den Deich
herzustellen. Das kann auch angehen, solange nur einer so denkt, aber
wenn einmal einer so denkt und seinen Gedanken durch die Tat KHus—
druck gibt, so werden alsbald alle so denßen. Man läßt es darum
soweit nicht kommen. Man fragt den einzelnen nicht, ob er zur Deichlast
beitragen will, sondern man zwingt ihn, seinen Beitrag zu leisten. Man
fragt auch den einzelnen nicht, wie der Deich hergestellt werden soll,
sondern man bestellt einzelne Personen, die für alle anderen denken,
und setzt fest, daß ihr Wille der Wille aller sei.
In der Deichlast liegt das Wesen der Steuer vorgebildet. Ganz
in derselben Weise, wie der übertretende Strom uns die Früchte unserer
Arbeit hinwegführen kann, kann ein Einbruch des Feindes oder einer
verbrecherischen Bande uns berauben. Der einzelne ist zur Abwehr ohn—
mächtig. Er kann sich weder gegen einen Feind, noch gegen Räuber—
banden behaupten. Der Staat dagegen kann eine Armee, eine Polizei,
eine Strafjustiz unterhalten. Es bedarf dazu schwerer Kosten, und der
einzelne trägt zu diesen Kosten bei, opfert einen Teil der Früchte seiner
Arbeit, um den Rest seiner Früchte um so sicherer behaupten zu können.
Diese Veranstaltungen gehören zu den allernotwendigsten, deren der Mensch
bedarf. Wo für Schutz gegen den äußeren und inneren Feind nicht ge—
sorgt ist, hat niemand die Sicherheit, auch nur den notdürftigsten Lebens—
unterhalt bestreiten zu können. Vermehrung der Sterblichkeit durch plötz-—
lichen Tod und langsames Siechtum ist untrennbar damit verbunden.
Die Tätigkeit des Staates und der Gemeinde ist aber nicht allein
erforderlich, um Notwendiges, sondern auch vielfach, um Nützliches zu
beschaffen. Straßenpflaster und Straßenbeleuchtung sind Dinge, die in
ihrer heutigen Gestalt noch nicht seit einem Jahrhundert bestehen; sie
können also als schlechthin notwendig nicht bezeichnet werden. Aber sie
sind von so großem Nutzen, daß sie in die Reihe der Gewohnheitsbedürfnisse