Full text: Für die oberen Kurse (Teil 3, [Schülerband])

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Zeitgenosse von ihm, er zögere so lange, bis seine Sachen ge— 
fährdet, bis sie ein wenig im Nachteil seien. Ebendas fühlte 
Papst Julius III.: Karl räche sich wohl, doch müsse er erst 
einige Qihe fühlen, ehe er sich erhebe. Auch hatte Karl nicht 
eben immerfort Geld. Die verwickelte Politik gebot ihm tau— 
send Rücksichten. Indes er nur harren mußte, behielt er seine 
Feinde unausgesetzt im Auge. Er beobachtete so genau, daß 
die Gesandten erstaunt waren, wie gut er ihre Regierungen 
kannte, wie treffend er zum voraus beurteilte, was sie thun 
würden. Endlich kam die Gelegenheit, die günstige oder die 
dringende Stunde doch. Dann war er auf, dann führte er aus, 
was er vielleicht seit zwanzig Jahren im Sinne gehabt. — 
Das ist die Politik, die seinen Feinden verabscheuungswürdig 
und hinterlistig, seinen Freunden ein Muster von Klugheit 
schien. Sie wenigstens kaum willkürlich. Dies Harren, 
Ruhen, Sich-⸗unterrichten, nur Spät-schlagen ist eben Karls 
Natur. In wieviel anderen Dingen war es mit ihm nicht 
anders bestellt! Er bestrafte zwar, doch ließ er sich zuvor 
viel gefallen. Er belohnte wohl, aber freilich nicht sogleich. 
Mancher mußte Jahre lang unbezahlt ausharren; dann aber 
bedachte er ihn mit einem jener Lehen, mit einer jener Pfrün⸗ 
den, deren er so viele hatte, daß er reich machen konnte, wen 
er wollte, und ohne selbst etwas auszugeben. Hierdurch brachte 
er andere dahin, in seinem Dienst alle Mühseligkeiten der Welt 
zu erdulden. 
Wenn man ihm die Waffen anzog, so bemerkte man, daß 
er über und über zitterte. Erst wenn er gerüstet war, dann 
ward er mutig, so mutig, daß man glaubte, er trotze darauf, 
daß noch nie ein Kaiser erschossen worden. Ein solcher Mensch 
voll Ruhe und Mäßigung, leutselig genug, um sich verschieden 
zu bequemen, scharf genug, um viele zugleich in Unterwerfung 
zu halten, scheint t geeignet, mehreren Nationen zusammen 
vorzustehen. Man lobt Karl, daß er durch Herablassung die 
Niederländer, durch Klugheit die Italiener, durch Würde die 
Spanier an sich geknüpft hat. Was hatte er aber, um den 
Deutschen zu gefallen? Seine Natur war nicht fähig, sich zu 
jener treuherzigen Offenheit zu entwickeln, welche unsere Nation 
an ausgezeichneten und hochgestellten Menschen zu allererst an— 
erkennt, liebt und verehrt. Ob er wohl die Miue „wie die 
alten Kaiser sich mit Fürsten und Herren gehalten, gern nach— 
ahmte; ob er sich wohl bemühte, deutsche Sitten anzunehmen, 
und sogar den Bart in Deutschland nach deutscher u trug, 
so erschien er den Deutschen doch immer als ein Fremder. Ein 
Vorspänner bei dem Geschütz, den er heftig antreibt, läßt ihn 
die Peitsche fühlen; vor Algier legt ein Landsknecht sogar auf
	        
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