Full text: Für die oberen Kurse (Teil 3, [Schülerband])

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Hoffnungen Raum gab, wurde beinahe unter seinen Augen der 
Dolch geschliffen, der seinem Leben ein Ende machte. Der 
kaiserliche Urteilsspruch, der ihn für vogelfrei erklärte, hatte 
seine Wirkung nicht verfehlt, und die ee Nemesis wollte, 
daß der Undaänkbare unter den Streichen des Undankes erliegen 
sollte. Unter seinen Offizieren hatte Wallenstein einen Irlän— 
der, Namens Leßlie, mit vorzüglicher Gunst geehrt und das 
ganze Glück dieses Mannes begründet. Ebendieser war es, 
der sich bestimmt und berufen fuüͤhlte, das Todesurteil an ihm 
zu vollstrecken und den blutigen Lohn zu verdienen. Nicht so— 
bald war Leßlie im Gefolge des Herzogs angelangt, als er dem 
Kommandanten der Stadt, Obersten Buttler, und dem Oberst— 
lieutenant Gordon alle schlimmen Anschläge des Herzogs ent— 
deckte, welche ihm dieser Unbesonnene auf der Herreise vertraut 
hatte. Leßlie fand hier zwei Männer, die eines Entschlusses 
fähig waren. Man hatte die Wahl zwischen Verräterei und 
Pflicht, zwischen dem rechtmäßigen Herrn und einem flüchtigen, 
allgemein verlassenen Rebellen. Man verbindet sich fest und 
feierlich zur Treue gegen den Kaiser, und dieser fordert die 
schnellsten Maßregeln gegen den öffentlichen Feind. Die Ge— 
legenheit ist günstig, und sein Genius selbst hat ihn in die 
Haͤnde der Rache geliefert. Um jedoch der Gerechtigkeit nicht 
in ihr Amt zu greifen, beschließt man, ihr das Opfer lebendig 
zuzuführen, und man scheidet mit dem gewagten Entschluß, 
den Feldherrn gefangen zu nehmen. Um ebendiese Zeit werden 
dem Herzoge die kasserlichen Patente überbracht, die sein Urteil 
enthalten, ünd in allen Lagern gegen ihn bekannt gemacht sind. 
Gegen Leßlie ergießt sich der Unmut seiner verwundeten Seele, 
und die Heftigkeit des Affekts entreißt ihm das letzte noch 
übrige Geheimnis. Er entdeckt diesem Offizier seinen Entschluß, 
Eger und Elnbogen als die Pässe des Königreichs dem Pfalz— 
grafen von Birkenfeld einzuräumen, und unterrichtet ihn zu— 
gleich von der nahen Ankunft des Herzogs Bernhard in Eger, 
wovon er noch in ebendieser Nacht durch einen Eilboten benäch— 
richtigt worden. Diese Entdeckung, welche Leßlie seinen Mit⸗ 
verschworenen aufs schleunigste mitteilt, ändert ihren Entschluß. 
Die dringende Gefahr erlaubt keine Schonung mehr. Eger 
konnte jeden Augenblick in feindliche Hände fallen, und eine 
schnelle Revolution ihren Gefangenen in Freiheit setzen. Diesem 
Unglücke zuvorzukommen, beschlossen sie, ihn samt seinen Ver— 
trauten in der folgenden Nacht zu ermorden. 
Damit dies mit um so weniger Geräusch geschehen möchte, 
sollte die That bei einem Gastmahl vollzogen werden, welches 
der Oberst Buttler auf dem Schlosse zu Eger veranstaltete. 
Die andern alle erschienen, nur Wallenstein, der viel zu be—
	        
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