10. Ließet ihr euch nicht verdrießen,
Was mein Lied euch kundgethan,
Mögt ihr, eh' die Worte schließen,
Eine Lehre noch empfahn:
Was, o Menschheit, Gott mit dir
Je beschlossen — glaube mir —
Hier begann's und endet hier!
b. Christen, Judenvolk und Heiden,
Jeder spricht, sein Erbe sei's.
Gott, so woll' es recht entscheiden,
O Dreieiner, dir zum Preis!
Reckt auch alle Welt die Hand,
Unser Recht ist dieses Land;
Uns drum sei es zuerkannt,
Mach G. Legerlotz.)
2. Neidhart von Reuenthal.
Mailied.
l. Des Waldes lichte Farben
Die Schnee und Eis verdarben,
Sehaut sie prangen wunderneu.
Weg die Scheu!
Magdlein stolz,
Nun tanzt im frischen, grünen
Holz!
2. Auf manchem Blütenreise
Hõört' ich süsse Weise
Vom lieben Vöglein hold und
Klein.
Blumenschein,
Endlos schĩer,
Leiht der Heide helle Zier.
Ieh bin so hold dem Maien:
Im letzten sah ieh reihen
Mein Lieb in lichtem Wangenglühn.
Lindengrũün
Bot ihr Schut⸗
Der Sonne heisser Glut zum Trutz.
(Mach G. Legerlotz.)
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3. Seinrich von Meißen
(Genannt Frauenlob),
geboren 1260 in Meißen, „1312 in Mainz, soll der Gründer der ersten
Meistersängerschule sein. Es wird erzählt, Frauen hätten ihn laut weinend
zu Grabe getragen und seinen Grabstein mit Weinspenden begossen.
Treue.
Die Treu' ist eine Gottesgab',
Die lasse nimmer von dir kommen.
Wer von der Treue lasset ab,
Dem hat der Tod den Wert genommen,
Treu' ist ein Spiegel, der dem Mann
Gibt durch die ganze Welt Geleit;
Treu' ist das anmutvollste Kleid,
Das Gott uns selbst geleget an.
(Nach G. N. Marschall.)
4. Sprũche aus Jreidanks Bescheidenheit.
a) Von der Ehre.
Mich kränkt, daß mancher Ehre begehrt Ein Mann soll Lob und Ehre erjagen
Unverdient und ohne Wert. Und doch Gott im Herzen tragen.
Ehre muß kaufen mancher Mann Es trachten der Leute mehre
Von dem, der Ehre nie gewann. Nach Schanden als nach Ehre.