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Mabe die Einflüsse der Natur und die Apgelegenheit Skandinaviens
auf die Nordgermanen gewirkt haben. Mögen die dort einge—
drungenen Stämme schon bei der Einwanderung von den Sũd-
germanen stark verschieden gewesen sein — immerhin wird man
eine gewisse Rauheit, ja, manehmal tobende Wildheit, dann wieder
tiefe Schwermut in der Weise, Sitte, in der Poesie und Religion
der Nordgermanen mit Bestimmtheit auf Einwirkung ihres Landes
urũckfũhren und die Aufzeichnung wenigstens der Edda und vieler
Sagen geschah vollends auf der „Lisinsel“.
Der Wald aber hat für die ãuberen Schicksale wie für die
jnnere Entwicklung unseres Volkes die größten und segensreichsten
Wirkungen geũbt. Mit Grund kann man sagen: der deutsche Walcd
hat die Deutschen gerettet, er hat sie vor den Römern beschũtzt.
Häatten sie in volkreichen Städten gelebt, sie wären der ũber-
legenen römischen Belagerungskunst so unvermeidlich erlegen wie
die Relten in Gallien. Hat doch die tapferen Bergvölker in den
Ratischen Alpen nicht ihr verzweifelter Widerstand in den RKastellen
geschũtzt, die sie in ihrer ohnehin so starken natürlichen Festung,
der Alpenburg, angelegt hatten; denn allzunahe lagen die römischen
Sstũtzpunkte — Verona und Trient einerseits Genf und Basel ander-
seits — dem Aufstieg in jene Höhen; Festungen aber waren für
die Römer nicht unbezwingbar.
Die Germanen dagegen schützte besser als Berg und Burg ihr
Land, d. h. der fast undurchdringliche Urwald mit seinen zahlreichen
sũmpfen. Verloren wären sie gewesen, hätten sie zur Verteidigung
wersvoller Siedelungen in diesen den Legionen standgehalten; so aber
Conlen sie die leichtgezimmerten Holzhũtten, ja sogar die Holzhallen
der Könige und Edlen ohne schmerzlche Aufopferung dem PFeuer
preisgeben, das sie selbst vor dem Abzug oder das die Legionen
dareinwarfen. Die wenigen wertvollen Geräte bargen sie in dem
lnern des Waldlandes. Der Fremdling kannte weder die kaum
gichtbaren Waldsteige noch die schmalen Furten der Süũmpfe; die
Vorräte an Getreide wurden unter der Erde geborgen. Nicht gar
lange währte für die Geflüchteten die Zeit der Entbehrung im Wald-
ergteck. Nur im Sommer wagte sich der lItaliker in das rauhe
Valdland und lange vor dem Herbste, schon im Späfsommer trat
er vor dem Klima den Rückweg an. Dann gab der Wald, der als
Zuflucht gedient hatte, auch seine Bäume her, das verbrannte
Holzhaus neu zu zimmern.