258
36. Münchhausensche Lügm.
Ehre streitig machte. Dies Thierchen war minder wegen seiner Gestalt
als wegen seiner außerordentlichen Schnelligkeit merkwürdig. Hätten die
Herren es gesehen, so würden sie es gewiß bewundert und sich gar nicht
verwundert haben, daß ich es so lieb hatte und so oft mit ihm jagte.
Es lies so schnell, so oft und so lange in meinem Dienste, daß es sich
die Beine ganz bis dicht unterm Leibe weglies und ich es in seiner letzten
Lebenszeit nur noch als Dachssucher gebrauchen konnte, in welcher Qualität
es mir denn ebenfalls noch manch liebes Jahr diente.
7. Einst belagerten wir einmal ich weiß nicht mehr welche Stadt,
und dem Feldmarschall war ganz erstaunlich viel an genauer Kundschaft
gelegen, wie die Sachen in der Festung ständen. Es schien äußerst schwer,
ja fast unmöglich, durch alle Vorposten, Wachen und Festungswerke
hinein zu gelangen; auch war eben kein tüchtiges Subjekt vorhanden,
wodurch man so etwas glücklich auszurichten hätte hoffen können. Vor
Muth und Diensteifer fast ein wenig allzu rasche stellte ich mich neben
eine der größten Kanonen, die soeben nach der Festung abgefeuert ward,
und sprang im Hui auf die Kugel, in der Absicht, mich in die Festung
hineintragen zu lassen. Als ich aber halbwegs durch die Luft geritten
war, stiegen mir allerlei nicht unerhebliche Bedenklichkeiten zu Kopfe.
„Hm," dachte ich, „hinein kommst du nun wol, allein wie hernach sogleich
wieder heraus? Und wie kann's dir in der Festung ergehen? Man
wird dich sogleich als einen Spion erkennen und an den nächsten Galgen
hängen. Ein solches Bett der Ehre wollte ich mir denn doch wol
verbitten." — Nach diesen und ähnlichen Betrachtungen entschloß ich
mich kurz, nahm die gliicklichc Gelegenheit wahr, als eine Kanonenkugel
aus der Festung einige Schritte weit vor mir vorüber nach unserem
Lager flog, sprang von der weinigen auf diese hinüber und kam, zwar
unverrichteter Sache, jedoch wolbehalten bei den lieben Unsrigen wieder an.
8. So leicht und fertig ich im Springen war, so war es auch mein
Pferd. Weder Gräben noch Zäune hielten mich jemals ab, überall den
geradesten Weg zu reiten. Einst setzte ich darauf hinter einem Hasen
her, der querfeldein über die Heerstraße lief. Eine Kutsche mit zwei
schönen Damen fuhr diesen Weg gerade zwischen mir und dem Hasen
vorbei. Mein Gaul setzte so schnell und ohne Anstoß mitten durch die
Kutsche hindurch, von der die Fenster aufgezogen waren, daß ich kaum
Zeit hatte, meinen Hut abzuziehen und die Damen wegen dieser Freiheit
unterthänigst um Verzeihung zu bitten. — Ein andermal wollte ich
über einen Morast setzen, der mir anfänglich nicht so breit vorkam, als
ich ihn fand, da ich mitten im Sprunge war. Schwebend in der Luft
wendete ich daher wieder um, wo ich hergekommen war, um einen größeren