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sieht er den Zug von Ferne nahen, und nun beginnt sein Ele¬
ment, das schwergeladene Hochzeitsmahl. Manchmal werden
vor dem Wirtshaus noch festliche Spiele aufgeführt, so der Braut-
und Schüssellauf. Die junge Frau geht aber zunächst in die
Küche zum „Suppensalzen", denn mit dem Amt kommt der
Verstand, und sie muß es nun genau verstehen, ob die Gerichte
auch alle richtig zubereitet sind. Am Menü einer sogenannten
„guten" Bauernhochzeit würden wohl die meisten von uns er¬
sticken, wenn wir es vollständig absolvieren wollten; es heißt im
Dialekte der „Kuchelbrief" und enthält fast alle erdenklichen
Fleischspeisen, mit Ausnahme von Wildbret und Fisch, die auch
bei der prunkvollsten Hochzeit niemals erscheinen. Hier wirkt
unbewußt noch ein uralter Gegensatz — „Wildbret und Fisch
sind für der Herren Tisch". Was der einzelne von seinen Por¬
tionen nicht bezwingen kann, das legt er in ein eigenes Tüchlein
beiseite und diese Überreste werden „das Bescheidessen" genannt.
Freilich sorgt auch der Tanz, der unablässig zwischen den
einzelnen Gängen tobt, für die Erneuerung eines grotesken
Appetits. Während der Hochzeit dürfen nur die Geladenen
tanzen, nach dein Abdanken, um 7 Uhr, können sich auch andere
gegen Bezahlung beteiligen.
Aber bis zum Abdanken hat es gottlob noch gute Weile,
zuerst müssen sie die Braut stehlen, ohne daß es der Hochzeiter
bemerkt; sie wird dann in der Regel ins Herrenstübchen verbracht,
wo man im vertrauten Kreise ein paar Flaschen vertilgt. Oben
irn Lärm des Festes merken sie es kaum, daß die Hauptpersoll
verschwunden ist, denn von dein jungen Volk ist ja ein jeder sich
selbst die Hauptperson. Wer unterdessen die Tische mustert oder
die Musiktribüne, findet prächtige Typen. Breitspurig sitzt der
Ehrenvater dort mit rotglühendem Angesicht und beschaulicber
Miene.
„Mit ’n Kopf gang's no' guat,
Aber die Füßl sän schlecht!"
Uiii so resoluter und unverwüstlicher blickt die Ehrenmutter
drein mit ihren braunen, klugen Augen, sie ist sich ihrer Stellung
voll bewußt — aber — aber —