Die Fanatiker gewinnen das Übergewicht. Ihre Propheten.
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machen, erwirkte man den Predigern sicheres Geleit vorn Bischof, der alsbald seinen Beamten
Befehl'erteilte, zur Fortführung ihrer Frauen und Kinder sie mit Vorspann zu versehen.
Am 5. November versammelte sich der Rat und die Bürgerschaft, um den gefaßten
Beschluß zur Ausführung zu bringen. Die Wiedertäufer waren entmutigt und schienen
unterliegen zu müssen, als ein Bürger durch den Antrag, nicht bloß die Prediger, sondern
mit ihnen auch jene, welche sie in die Stadt gerufen hätten, hinaus zu schaffen, die ganze
Partei zum Widerstande reizte. Tilbeck und Knipperdolling erhoben ihre Stimmen und er¬
klärten, sie würden sich verteidigen. Beide Teile stürzten zu den Waffen und besetzten vei>
schiedene Stadtviertel. Wäre es damals zu einer Entscheidung gekommen, so möchten wohl
die Gemäßigten, welche noch die Stärkeren waren, gesiegt haben; aber um Blutvergießen
zu verhüten, ließ der Rat durch den Syndikus von der Wieck einen Vergleich unterhandeln,
der am andern Tage unter der Bedingung zustande kam, daß den Wiedertäuferischen Geist¬
lichen zwar das Predigen verboten, ihren Anhängern aber erlaubt sein solle, in der Stadt
zu bleiben, wie denn überhaupt jedermann sich zu dem Glauben bekennen möge, bei welchem
er selig zu werden hoffe. Seit diesem Vertrage gewannen nach dem Gange, welchen Partei¬
kämpfe nehmen, die Fanatiker das Übergewicht.
Unter den niederländischen Propheten, welche jetzt in immer größerer Zahl dem
neuen Jerusalem zuzogen, befanden sich Jan Bockelsohn, ein Schneider aus Leyden, und
Jan Mathys, ein Bäcker aus Haarlem. Beide besaßen in einem vorzüglichen Grade die
Eigenschaften, wodurch Fanatiker unter ihresgleichen den ersten Platz gewinnen, festen Glau¬
ben an die eigene Untrüglichkeit, welche die Leichtgläubigkeit berückt, und schonungslose Frech¬
heit, welche Widerstrebende mit kühnen Schlägen zu Boden wirft und die Furchtsamen im
Zaume hält. Nachdem ein Dekret des Fürstbischofs vom 23. Januar 1534, welches Roth¬
mann und seine Anhänger ächtete und jedermann aufforderte, ihn festzunehmen, in der
Stadt bekannt geworden war, überließ sich die Partei den ärgsten Tollheiten, die freilich für
ihre Zwecke Weisheit waren. Heinrich Roll, ein Mönch aus Haarlem, rannte wie besessen
durch die Stadt und rief aus, der Tag des Herrn sei nahe, darum sollten alle, die das
Bundeszeichen noch nicht empfangen hätten, Buße tun. Dasselbe Geschrei wiederholten nach¬
mittags Jan van Leyden und Knipperdolling, indem sie barhäuptig, die Blicke gen
Himmel gerichtet, durch die Straßeu zogen. Scharen von Männern und Weibern folgten
ihnen mit Ausrufen wahnsinniger Begeisterung, als ob sie die Herrlichkeit Gottes erblickten
und Christus mit der Siegesfahne herniederstiege, um fortan in Münster zu herrschen. Die
Anführer vergaßen über dieser Raserei nicht, sich selbst zu Herren der Stadt zu machen.
Am folgenden Tage versammelte sich ein großer Haufe bewaffneter Wiedertäufer auf dem
Markte und bemächtigte sich des Rathauses, wo sie beträchtliche Waffenvorräte fanden. Indes
gelang es einigen Ratsherren, die Gutgesinnten der Bürger auf dem Kirchhofe zu vereinigen.
Bald war die Zahl derselben größer als die der Aufrührer, die den Markt besetzt hielten,
und selbst mehrere der Wiedertäuferischen Prediger uud Häupter gerieten als Gefangene in
ihre Hände. Aber wiederum wurde der rechte Augenblick mit lauter Erwägen und Zögern
versäumt. Sie verschanzten sich und sandten an den Stellvertreter des Bischofs, den Amts-
drosten von Meerveldt in Wolbeck, um Beistand. Wirklich führte ihnen dieser am folgenden
Morgen eine große Menge bewaffneter Bauern aus den benachbarten Dorfschaften zu. Aber
statt sich derselben zu bedienen, ließen sich die Bürger von den Wiedertäufern, welche jetzt
um Frieden baten, und von Feigherzigen aus ihrer eigenen Mitte einreden, es sei höchst
gefährlich, sich mit den Bischöflichen zu befassen und sich dadurch in die Lage zu bringen,
daß man die Gegner des evangelischen Glaubens selbst in die Stadt lassen müsse. So kam