Full text: [Band 5, [Schülerband]] (Band 5, [Schülerband])

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jubel wird allein der Schnee empfangen, das milde, heitere 
Meteor, das niemanden erschreckt, das auch dem zarten Wesen 
selten etwas zu Leide tut, das sich so gern zum Spielgefährten 
der Jugend herabläßt. 
Und nicht bloß für die Kinderwelt, auch den Erwachsenen ist 
der Schnee eine liebe Erscheinung. Ist doch die weiße Hülle nicht 
ein Sterbekleid, sondern ein warmhaltendes Bett, das die Natur 
über Millionen ihrer Kinder deckt, ein schmückender Teppich, 
welcher das fahle Braun der verblichenen Wiesen und Felder 
verhüllt und der Landschaft ein heiteres, festliches Ansehen ver¬ 
leiht. Ein schneeloser Winter — wie öd' und traurig würde er 
uns Nordländern erscheinen! Fast so unnatürlich und unschön, 
wie ein Frühling ohne Grün! 
Der Schneefall ist eines der anziehendsten Naturschauspiele. 
Stundenlang könnte man dem lautlosen Herabrieseln des Lust¬ 
wassers zusehen und würde immer Neues erblicken; denn jeder 
Schneefall hat seine Einzelheiten, ja jeder einzelne zeigt in seinen 
verschiedenen Zeiträumen ein verschiedenes Aussehen. Jetzt 
spielen ganz vereinzelt zarte Flöckchen im sanftesten Fluge her¬ 
nieder, in der nächsten Minute fallen größere und dichtere Flaumen; 
bald erregt sie ein Lufthauch zu wirbelndem Tanze, daß sie durch¬ 
einander flattern, wie Schwärme weißer Schmetterlinge; dann 
fallen sie dichter und dichter, bis sie die Aussicht mit nebelartigem 
Grau verschleiern und so massenweise durcheinander wimmeln, 
daß dem Beschauer fast schwindelt; aber schon mildert sich das 
Fortissimo im zartesten Übergang zum Mezzoforte und sinkt sanft, 
wie ein getragener Ton der Menschenstimme, zum verhallenden 
Pianissimo herab. 
Und wie verschieden ist ein Schneefall vom andern! Gestern 
fielen die Flocken so einzeln und zögernd, wie die Blütenblütter 
des Kirschbaumes; heute, wo Frau Holle ihre Betten schüttelt, 
tummeln sich die Federn in wildester Hast, als gelte es einen 
Wettflug vom Himmel zur Erde, so daß der Wandersmami 
Weg und Steg zu verlieren fürchtet und an den schauerlichen 
Aschenregen erinnert wird, von welchem Pompeji verschüttet 
wurde; am allerschönsten aber ist der zarte Schneefall, der an 
einem fast nebeligen, kalten Morgen, nachdem sich während der
	        
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