Full text: [Untersekunda, [Schülerband]] (Untersekunda, [Schülerband])

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gefallen auf. Der Carneval dauert in Rom 8 Tage, jeder Tag schließt mit 
einem Wettrennen, bei dem 15—20Pferdchen von der Piazza del Popolo bis 
zum venetianischen Palast denCorso durchjagen. Das Moccolifest am Dienstag- 
abend vor Aschermittwoch bildet den Schluß. Mit dem Läuten der Ave-Maria- 
glocke von den zahllosen Kirchtürmen der ewigen Stadt ist all der Glanz und 
Jubel vorbei. Nun kommt die stille, freudenleere Fastenzeit. Eine Reihe 
großartiger, erhebender Festlichkeiten beginnt wieder mit der Charwoche. 
Am Sonntag Palmarum ist die Basilika des Petersdomes von einer zahl- 
losen Menge Volks erfüllt, ein Thron aufgerichtet und Bühnen und Bänke 
ringsumher aufgestellt. Bußpriester im Meßgewand voran und Cardinäle im 
Purpurmantel, erscheint der Papst, auf einem Thronsessel getragen, den ein 
Baldachin überdeckt, den violetten Talar um die Schulter, heute eine einfache 
silberne Bischofsmütze auf dem Haupte. Mit ausgebreiteten Armen segnet er 
die Gläubigen, die ringsumher auf Knieen liegen. Dem Hochaltar gegenüber, 
auf dem nur zwei hohe Wachskerzen brennen, hält der Zug, der Papst steigt 
herab und nach einem kurzen Gebet auf den Thron; dann — unter dem Ab¬ 
fingen frommer Lieder — segnet er die Palmen ein und vertheilt sie unter die 
Cardinäle, Bußpriester und andere Herren in Uniform und Amtstracht, die 
zu zweien herantreten, die Kniee beugen und nachdem sie die Palme empfangen, 
das Kreuz auf dem Schuh des heiligen Vaters küssen. Das ist das Fest der 
Palmen. Am heiligen Mittwoch wird in der sixtinischen Capelle (die u. A. 
ein berühmtes Gemälde, das jüngste Gericht, von Michel Angelo enthält) die 
„Todtenmesse" gehalten, wobei das Miserere, jenes unendlich rührende 
und ergreisende Tonwerk von Allegri, von dem weltberühmten päpstlichen Chor 
gesungen wird. Am Gründonnerstag findet in' einer Seiteneapelle der 
Basilika die Fußwaschung statt. Aus einem Teppich, der die Abendmahls- 
scene nach dem berühmten Bilde des Leonardo da Vinci gewebt darstellt, stehen 
die Bänke, welche die 12 Apostel einnehmen, lauter Priester oder Diaconen, 
aber aus den verschiedensten Nationen. Sie tragen ein Oberkleid von weißer 
Wolle und eine viereckige weiße Mütze und haben den rechten Fuß entblößt. 
Der Papst tritt, nachdem er eine kleine Schürze vorgebunden, heran, wäscht 
den 12 die Füße, trockuet sie und küßt sie dann. Das Waschbecken ist von 
Silber und reich vergoldet. Dann empfängt jeder Apostel von dem Prälaten 
Schatzmeister zwei Medaillen, eine von Gold und eine von Silber, und von 
einem Cardinal einen Blumenstrauß. Dann segnet der Papst das Osterlamm, 
reicht den Aposteln das Wasser zum Händewaschen und bedient sie während 
des Essens. Am Charsreitag findet in der zehnten Morgenstunde in der 
heute alles Schmuckes baren sixtinischen Capelle dieCeremonie der Anbetung 
des Kreuzes statt: barhaupt und barfuß, ohne Ring am Finger, in violettem 
Chorhemd liegt der Papst betend vor dem heiligen Kreuze, neben und hinter 
ihm die Cardinäle und Prälaten, während vom Chore herab Palestrinas Herr- 
liche Harmonien tönen. Am Samstag werden im Lateran des heiligen Jo- 
Hannes die Neubekehrten getauft. Um die Mittagsstunde erfüllt ein allgemeines 
Frohlocken und Freudengetön die Stadt: alle Glocken läuten, von der Engels- 
bürg herab donnern die Kanonen, auf Straßen und Plätzen die Böller, und 
Alles ist in freudiger Bewegung. Am ersten Ostertag bedeckt sich um die 
elfte stunde der Petersplatz mit einer zahllosen Menge Volkes aus ganz
	        
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