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10. Zwar ist Vollkommenheit ein Ziel, das stets entweicht;
Doch soll es auch erstrebt nur werden, nicht erreicht.
Rückert.
1. An einen Luͤgner.
Du magst so oft, so fein, als dir nur möglich, lügen,
Mich sollst du dennoch nicht betrügen.
Ein einzigmal nur hast du mich betrogen;
Das kam daher, du hattest nicht gelogen.
2. Der Freund.
Wer Freunde sucht, ist sie zu finden wert;
Wer keinen hat, hat keinen noch begehrt. Lessing.
3. Freund und Feind.
Teuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen;
Zeigt mir der Freund, was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll.
4. Der Schlüssel.
Willst du dich selber erkennen, so sieh, wie die andern es treiben;
Willst du die andern verstehn, blick in dein eigenes Herz!
5. Die zwei Tugendwege.
Zwei sind der Wege, auf welchen der Mensch zur Tugend emporstrebt;
Schließt sich der eine dir zu, tut sich der andere dir auf.
Handelnd erringt der Glückliche sie, der Leidende duldend.
Wohl ihm, den sein Geschick liebend auf beiden geführt!
6. Der Sämann.
Siehe! voll Hoffnung vertraust du der Erde den goldenen Samen,
Und erwartest im Lenz fröhlich die keimende Saat.
Nur in die Furche der Zeit bedenkst du dich, Taten zu streuen,
Die von der Weisheit gesät, still für die Ewigkeit blühn?
Schiller.
7. Aufmunterung.
Schön ist's, Großes zu tun und Unsterbliches. Fühl' es, o Jüngling!
Früh von der Stirn mühvoll rinne der männliche Schweiß!
Äber vergiß niemals, daß stets die geschwätzige Trägheit,
Wertlos, ohne Verdienst, große Verdienste beschmutzt. Platen.
8. Der Schneeball.
Der Schneeball und das böse Wort,
Sie wachsen, wie sie rollen fort;
Eine Handvoll wirf zum Tor hinaus,
Ein Berg wird's vor des Nachbars Haus.