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herrliche grüne Zunge von Wald und Wiese: der Englische Garten.
Die ganze Stromniederung in der Breite eines halben Kilometers
ist hier zu einem mit prächtigen Bäumen bestandenen Park ge¬
worden, den mehrere Arme der Isar durchrauschen. Man kann
hier aus der Stadtmitte, ohne mehr als drei oder vier Häusern
unterwegs zu begegnen, durch lauter Grün in die tiefste Wildnis
gelangen, wo stiller Waldzauber um einsame Wege spinnt.
Max Haushofer.
142. Eine Hrühlingsfahrt in der Mark.
Das ist ein geheimnisvolles Land, die Mark Brandenburg,
-kn Reiche nennt man sie lächelnd mit altem Scherze eine Streu¬
sandbüchse. welche Gde, diese dürren Kiefernwälder, die rechts
und links vom Bahndamm stehen! lLeidekraut und armselige
Grasnarbe; überall grinst der weiße, blanke Sand hervor. Selbst
die Krähe, scheint es, meidet das dürftige Gebiet, und wenn es
hier noch Süchse gibt, so sagen sie sich zuversichtlich gute Nacht.
Daß so unfruchtbarem Boden die stolze Reichshauptstadt
entsproß, nimmt jeden Beobachter wunder. Daß Brandenburg
das Kernland der preußischen Monarchie war, scheint schier unver¬
ständlich. lvie brachte diese hungrige Bevölkerung, deren kühnste
-agen nur von vergrabenen Silbertalern, nie von funkelndem
Gold und Edelstein zu erzählen wissen, deren Phantasie also noch
die Bescheidenheit unausrottbarer Armut verrät, wie brachte sie
die lllittet zu den ewigen Kriegen, den Eroberungskriegen ihrer
dürften zusammen? lvie überstand sie das Elend der schrecklichen
dreißig Jahre und der aussaugenden ftämpfe, die der alte Sritz
führte; woher kam ihr die Kraft, gleich nach dem ldubertusburger
Srieden, ausgeplündert und ausgebrannt, die europäische Gro߬
macht zu spielen?
Man darf die Mark Brandenburg nie mit Berlin verwechseln.
Gewiß, Berlin nährt sich von der Kraft dieser wunderbaren Provinz.
Es verdankt ihr sein Bestes: seine Zähigkeit, seinen Bienenfleiß,
seine kluge Sparsamkeit, durch die es sich zu der heutigen Bedeutung
hinaus darbte. Aber es ist keine brandenburgische Stadt. Die