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Dazu kam noch das leckere Gericht von Amselbrüsten und eine weiße
wohlgebratene Gans, die vorher mit guten Feigen gemästet worden
war. Es wurde Massikerwein, dem der Dotter eines Taubeneies
alles Rauhe benommen hatte, aus zierlichen Pokalen getrunken,
wobei jeder Gast nach Belieben Wasser darunter mischte. Zum
dritten Gang des Mahles oder dem Nachtisch verzehrte man Albaner
Trauben, die im Rauch getrocknet waren, picenische Äpfel und feines
Backwerk. Den Schluß der Mahlzeit, die überdies durch die Kunst
des Lyraspielers Geta gewürzt ward, bildete ein künstliches Schau¬
gericht, welches das Kapitol auf dem hohen Felsen vorstellte. Die
Gäste sprachen sich sehr anerkennend über die Kochkunst des Meisters
Parmenio aus.
Ein Sklave kam nun und wischte mit einem wollenen Tuch die
Ahorntafel ab; hierauf steckte er in ein Seitentischchen die spitzzu¬
laufenden Weinkrüge und stellte auf die Haupttafel silberne Becher.
Denn zum würdigen Abschluß der Mahlzeit sollte noch ein kleines
Trinkgelage kommen. Torquatus winkte und ließ von dem Diener
den Mischkrug bringen, aus dem dann die Gäste sich der Reihe nach
die Becher füllten. Sie tranken auf die Gesundheit des Kaisers so¬
wie ihres Gastwirtes und jeder brachte dem andern einen Trink¬
spruch zu. Nachdem sie sich noch über die Angelegenheiten der
Stadt und verschiedene andere Dinge unterhalten hatten, gab Tor¬
quatus das Zeichen zum Aufbruche. Die Gäste bedankten sich und
jeder machte seine Gegeneinladung.
Der blasse Mond stand schon hoch an dem violettblauen Himmel,
als die Freunde das Gartengemach verließen. Die von dem Mond¬
licht in Silber gekleideten Statuen des Apollo und Pan schienen
ihnen zuzunicken und Valet zu sagen. Die duftenden Rosen um¬
hauchten sie mit ihren lieblichen Wohlgerüchen wie zum festlichen
Abschied. Nur die ins Riesige verlängerten Schatten der hohen
Pinien schienen ihnen den Weg versperren zu wollen.
Die Gäste fanden im Hofraume ihre Pferde an den leichten
Wagen geschirrt; sie sagten dem Hausherrn Lebewohl und im Galopp
verließen sie das Landgut. Zu beiden Seiten des Wagens ritt je
ein Sklave mit hell leuchtender Kienfackel; der sorgliche Gastwirt
hatte an alles gedacht.
Torquatus begab sich nun in sein Schlafgemach um sich der Ruhe
zu überlassen; denn schon dämmerte der neue Morgen herauf.
Nach H. Göll.