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Schroffer Wechsel von dichtem Wald und kahlen Kalkgebirgen
bildet den Charakter der oberalbanischen Landschaft und denselben
Wechsel hat man in Klima und Vegetation beobachtet. In den
tiefen Tälern gedeihen Kastanien, Weinreben, Feigen und Granaten ..,
die Höhen behauptet die nordische Buche und scharf schneidet die
Baumgrenze gegen die Firnflecken der Hochregion ab. Sehr merk¬
würdig ist auch die Gebirgsformation des Landes; nach der Küste
hin durch eine Reihe von Gebirgswänden abgeschlossen, ist das ganze
Innere erfüllt von dem Dinarischen Faltengebirge mit einem dichten
Netz von tiefeingeschnittenen Talschluchten und hohen Gebirgsgraten,
die von wenigen paßartigen Einschnitten unterbrochen werden.
Damit hängt auch der eigentümliche Bau der Flußtäler zusammen,
die fast alle von steil abfallenden Felswänden gebildet werden, so
daß sie den Charakter von Klammen gewinnen. Dann freilich
öffnen sich wieder die schluchtartigen Täler zu freundlichen und
fruchtbaren Feldern und Wiesen.
Dieser Alpennatur entspräche auch der Charakter und die Be¬
schäftigung der Bewohner, wenn Albanien ein wirtschaftlich er¬
schlossenes Land wäre. Der Haupterwerbszweig des oberen Albaniens
ist die Viehzucht, besonders in der Landschaft Maleija, wo man
Almen und Sennhütten findet — letztere aus!Steinen und Ästen
errichtet — und wo die ganze Bevölkerung den Sommer hoch oben
im Gebirge verbringt, während die Täler entvölkert sind.
Im übrigen liegt das wirtschaftliche Leben völlig brach, wie
es ja nicht anders sein kann in einem Lande, wo es an allen ge¬
eigneten Verkehrsmitteln fehlt. So bleibt der gewaltige Holzreichtum
völlig ungenützt und in ganz Oberalbanien gibt es nicht eine einzige
Sägemühle, so daß alles Schnittholz aus Bosnien importiert
werden muß.
Dieser wirtschaftliche Tiefstand in Verbindung mit der geschilderten
Eigenart des Gebirgsaufbaues hat nun Verhältnisse geschaffen, die
weit entfernt sind nicht nur von unseren Begriffen eines friedlich¬
idyllischen Gebirgslebens, sondern von allem, was überhaupt euro¬
päisch genannt wird.
Die Stammeszerklüftung ist eine der merkwürdigsten
und verhängnisvollsten Folgen der Gebirgsnatur Albaniens: jedes
der Faltentäler des Drin und seiner Nebenflüsse ist von je einem
Stamm bewohnt, der sich gegen den Nachbarstamm streng abschließt,
ja mit ihm in Fehde lebt. So ist ganz Oberalbaniens Bevölkerung