105. Die traurige Krönung.
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16. Und dreimal zwang er seinen Kahn
Trotz Wirbel, Sturm und Wogendrang;
Und dreimal kam er glücklich an,
Bis ihm die Rettung ganz gelang.
Kaum kamen die letzten in sichern Port,
So rollte das letzte Getrümmer fort. —
17. Wer ist, wer ist der brave Mann?
Sag an, sag an, mein braver Sang!
Der Brauer wagt’ ein Leben dran;
Doch that er’s wohl um Goldeeklang?
Denn spendete nimmer der Graf sein Gut,
So wagte der Bauer vielleicht kein Blut.
18. „Hier,“ rief der Graf, „mein wack’rer Freund!
Hier ist der Preis! komm her, nimm hin!“
Sag an, war das nicht brav gemeint?
Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn.
Doch höher und himmlischer, wahrlich, schlug
Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.
19. „Mein Leben ist für Gold nicht feil.
Arm bin ich zwar, doch ess’ ich satt.
Dem Zöllner werd’ Eu’r Gold zu teil,
Der Hab und Gut verloren hat!“
So rief er mit herzlichem Biederton.
Und wandte den Rücken und ging davon.
20. Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang!
Wer solchen Muts sich rühmen kann,
Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob! dass ich singen und preisen kann,
Unsterblich zu preisen den braven Mann.
Auch dieser Ballade liegt eine wirkliche Begebenheit zugrunde, welche in Zöll¬
ners Lesebuch für alle Stände (5. Teil) erzählt ist. Der Schauplatz derselben ist die
Stadt Verona au der Etsch; der Graf hieß Spolveriui. Der Name des edlen Bauern
ist nicht bekannt. Verfaßt hat Bürger das Gedicht 1776.
*105. Oie tk-aunige Krönung.
Eduard Mörike.
Gedichte. Stuttgart und Tübingen 1848. 8. 63.
1. Es war ein König Milesint,
Von dem will ich euch sagen ;
Der meuchelte sein Bruderskind,
Wollte selbst die Krone tragen.
Die Krönung ward mit Prangen
Auf Liffeyschloss ') begangen.
O Irland! Irland! wärest du so blind?
') spr. liffi. Der Liffey ist ein Fluß in Irland.