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13. Schwert und Pflug.
2. „Ach wär' ich ein König nur eine Nacht.
Wie wollt' ich schalten mit meiner Macht!
Wie ging ich umher von Haus zu Haus
Und teilte den Schlummernden Segen aus!
3. Wie strahlte dann morgens so mancher Blick
Die Sonne zum erstenmal hell zurück!
Wie staunten einander die Glücklichen an
Und meinten, das hab' ein Engel gethan!"
4. Der König lehnt im Palast allein
Und blickt hinaus in den Mvndenschein
Und schaut hinab in des Landmanns Haus
Und seuszt in das weite Schweigen hinaus.
5. „Ach wär' ich ein Landmann nur eine Nacht,
Wie gern entriet ich der drückenden Macht!
Wie lehrt' ich mich selber die schwere Kunst,
Nicht irr' zu gehen mit meiner Gunst!
6. Wie wollt' ich ins eig'ne Herz mir seh'n.
Um wieder es offen mir selbst zu gesteh'n!
Was tausend Hände mir nicht vollbracht,
Das wollt' ich gewinnen in einer Nacht!"
7. So schau'n sie sinnend beim Sternenlaus,
Der König hinunter, der Landmann hinauf;
Dann schließen beide den müden Blick
Und träumen beide von fremdem Glück.
13. Schwert und Pflug.
Wolfg. M iill e r.
Gedichte. Frankfurt a. M. 1847.
1. Einst war ein Graf, so geht die
Mär’,
Der fühlte, dass er sterbe;
Die beiden Söhne rief er her,
Zu teilen Hab’ und Erbe.
2. Nach einem Pflug, nach einem
Schwert
Rief da der alte Degen;
Das brachten ihm die Söhne wert;
Da gab er seinen Segen:
3. „Mein erster Sohn, mein
stärkster Spross,
Du sollst das Schwert behalten,
Die Berge mit dem stolzen Schloss
Und aller Ehren walten.
S. 196.
4. Doch dir, nicht minder liebes
Kind,
Dir sei der Pflug gegeben ;
Im Thal, wo stille Hütten sind,
Da magst du friedlich leben.
5. So starb der lebensmüde Greis,
Als er sein Gut vergeben:
Die Söhne hielten das Geheifs
Treu durch ihr ganzes Leben.
6. Doch sprecht, was ward denn
aus dem Stahl,
Dem Schlosse und dem Krieger?
Was warddennaus demstillenThal,
Was aus dem schwachen Pflüger?