Full text: [Teil 5, [Schülerband]] (Teil 5, [Schülerband])

legte sie die Klöppel nicht ans der Hand, und das mußte der beste 
Sporn für alle übrigen sein. Und mit der Freudigkeit und Hoffnung 
wuchsen die Spitzenvorrüte, obgleich die rüstigsten Männer immer 
mit der fertigen Ware wieder von dannen zogen durch ganz Sachsen 
und Böhmen. Erst der strenge Winter gebot ihnen Einhalt. 
Und als dann der Frühling und der Sommer wieder kamen — 
welch ein Abstand gegen das vorige Jahr! Kerngesundes Vieh im 
Stalle und auf den Wiesen, Segen auf den Feldern, und die Men¬ 
schen glücklich. Denn eben war der Herr Studierte, der auf des 
Bergherrn Bitte aus Kölln an der Spree zur nochmaligen Unter¬ 
suchung der Gruben gekommen war, wieder abgereist, nachdem er 
sich nicht gerade zum allerbesten über die Weisheit seiner Kollegen 
in Dresden erklärt hatte.^Die Gruben im Schrecken- und Schotten¬ 
berge waren nicht ausgebraucht; man mußte nur verstehen, sie auf 
die rechte Weise zu öffnen. Und da ließ der kluge Mann aus Kölln 
an der Spree von dem schwarzen Pulver herbeibringen, von dem 
die Annaberger bisher noch keine Ahnung gehabt, und — hei, wie 
das krachte und platzte, wie da die Wände barsten und Silber¬ 
und Kobaltstufen in unabsehbarer Menge bloßgelegt wurden! 
In diesem Sommer war es auch, daß Barbara eine große 
Reise nach Brüssel unternahm. Das wüste Treiben der Spanier 
in den Niederlanden schreckte sie nicht zurück. Frische Kräfte nach 
Annaberg zu ziehen, um so auch die Anfertigung von seidenen Spitzen 
zu erlernen, dahin ging ihr Plan, und daß er ihr gelungen ist, das 
weiß die ganze Welt. Und noch eins brachte sie aus der Fremde 
mit: die Bandfabrikation. Spitzen- und Bändermärkte, Spitzen- und 
Bänderläden, Spitzen- und Bänderverkäuferinnen — kann man sich 
davor retten, wenn man heute nach Annaberg kommt? x 
Ja heute! Da ist Fabrik an Fabrik; da arbeiten überall Ma¬ 
schinen; da schallt's hüben und drüben: „Glückauf! Glückauf!" 
Und wie würde das wohl hier aussehen, wenn nicht Christoph und 
Barbara Uttmann gewesen wären? Als unsere Frau von Brüssel 
zurückkehrte, fand sie ihren Gemahl auf dem Krankenlager, von 
dem er sich nicht wieder erhob. Was hätte sie in ihrem Schmerze 
besser trösten können als der Friede und das Glück, welche ringsum 
walteten? Solange noch ihr Herz schlug, schlug es auch für ihre 
Kinder, für die Kinder der Brabanterin und für alle, die im Weich¬ 
bilde Annabergs wohnten. 
Sie hatte noch ein langes und durch das Glück anderer be¬ 
glücktes Leben. Als sie starb, ward sie neben Christoph und der
	        
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