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IV. Deutsche Arbeit. Deutsche Kunst.
man diese glatten Flächen, die jeden Tag gereinigt werden müssen, vom
Staub freihalten? Wie die Winkel und Nischen? Ein Federwisch
reicht nicht aus. Es muß eine hohe Sicherheitsleiter aushelfen. And
nun sieht sie die lange Reihe von Verwicklungen vor sich: wo soll die
Leiter aufbewahrt werden, daß sie gleich morgens zur Äand ist? Wer
von den Dienern soll sie hintragen und zurückbringen — wo wird er
unterwegs überall anstoßen — welche Vorrichtung gibt es, den Teppich
zu schützen, auf dem die Leiter steht — wieviel Zeit kostet das alles
Tag für Tag? — And der Kamin ist gerichtet.
Zn einem Zimmer, aus dem man gar nicht scheiden möchte, ist die
Vertäfelung in breiten Flächen mit Messing ausgelegt. Die Wirkung
ist neu und sehr „artistisch", wie man jetzt statt des veralteten „stilvoll"
sagt. Aber dies Messing muß geputzt werden, und je länger, desto
öfter. Die Äausfrau weiß, daß man nicht Messing und Äolz zugleich
putzen kann. Es geht nicht anders, das Äolz wird verschmiert. Viel¬
leicht hätte sie das Zimmer erworben, jetzt geht sie seufzend weiter.
Zm nächsten Raum steht ein sehr schöner Rauchtischleuchter aus
Schmiedeeisen. Ein hübsches Weihnachtsgeschenk, schießt es ihr durch
den Kopf. Aber sie sieht viele Füße mit scharfen Ecken, die jede Decke
zerreißen, jede Platte, einerlei, ob Äolz, Marmor, Metall verschrammen
würden; sie entdeckt in der Tülle eine armdicke Wachskerze, von der sie
weiß, daß sie qualmt wie eine blakende Lampe. Für ein Atelier, sagt
sie sich, wo es nicht darauf ankommt, und sieht sich weiter um.
Von neuen Webereien hat sie gehört und gelesen. Künstler haben
die Zeichnungen entworfen, Museen kaufen sie als Vorbilder an. Sie
mustert die Ausstellung, ob sie für den Schmuck ihres Äauses eine
Erwerbung machen kann. Vielleicht ist eine schöne Tischdecke da, denkt
sie, denn nichts ist so schwer zu finden wie eine geschmackvolle Tischdecke;
vielleicht ein paar Türvorhänge. Aber nein, es sind lauter Sachen,
für die sie keine Verwendung hat, da sie absolut nicht dekorieren will.
Sie will es einmal nicht. Es ist ihr ein Greuel. And sie müßte alle
diese köstlichen Sachen wie Bilder aufhängen. Warum fragen die
Künstler uns nie, was wir notwendig brauchen oder doch gern haben
möchten? denkt sie.
Blumenvasen — das ist's, was sie braucht. Es gibt sowenig
Erträgliches. Die auf der Ausstellung sind so schön und so originell
wie Bilder. Ein Künstler hat sie gemacht. Aber wie sie sie darauf
ansieht, für welche Blumen sie wohl gedacht sein mögen, kann sie nicht
ins klare kommen. Als leidenschaftliche Blumenfreundin weiß sie aus
ihrer Praxis, daß jede Art ihre Vase haben muß. Auf eine Er-