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Soll ich in feiger Begeisterung meinen siegenden Brüdern meinen
Jubel nachleiern? — Soll ich Komödien schreiben auf dem Spott-
theater, wenn ich den Mut und die Kraft mir zutraue, auf dem
Theater des Ernstes mitzusprechen? — Ich weiß, Du wirst manche
Unruhe erleiden müssen, die Mutter wird weinen! Gott tröste sie! 5
Ich kann's Euch nicht ersparen. Des Glückes Schoßkind rühmt' ich
mich bis jetzt, es wird mich jetzo nicht verlassen. — Daß ich mein
Leben wage, das gilt nicht viel; daß aber dies Leben mit allen
Blütenkränzen der Liebe, der Freundschaft, der Freude geschmückt ist
und daß ich es doch wage, daß ich die süße Empfindung hinwerfe, 10
die mir in der Überzeugung lebte, Euch keine Unruhe, keine Angst
zu bereiten, das ist ein Opfer, dem nur ein solcher Preis entgegen¬
gestellt werden darf. — Sonnabends oder Montags reise ich von
hier ab, wahrscheinlich in freundlicher Gesellschaft; vielleicht schickt
mich auch H. als Kurier. In Breslau, als dem Sammelplätze, treffe is
ich zu den freien Söhnen Preußens, die in schöner Begeisterung sich
zu den Fahnen ihres Königs gesammelt haben. Ob zu Fuße oder
zu Pferde, darüber bin ich noch nicht entschieden, und kommt einzig
auf die Summe Geldes an, die ich zusammenbringe. Wegen meiner
hiesigen Anstellung weiß ich noch nichts gewiß; vermutlich gibt mir 20
der Fürst Urlaub; wo nicht — es gibt in der Kunst keine aneievnsto
— und komme ich wieder nach Wien, so habe ich doch das sichere
Versprechen des Grafen Palfy, das in ökonomischer Hinsicht noch
mehr Vorteile gewährt. — Toni hat mir auch bei dieser Gelegenheit
ihre große, edle Seele bewiesen. Sie weint wohl, aber der geendigte 25
Feldzug wird ihre Tränen schon trocknen. — Die Mutter soll mir
ihren Schmerz vergeben; wer mich liebt, soll mich nicht verkennen,
und Du wirst mich Deiner würdig finden.
Dein Theodor.
68. Moltke an seinen Bater.
Graf Helmuth von Moltke. Gesammelte Schriften und Denkwürdigkeiten.
Bd. V, Berlin 1892.
17. November 1840.
Einer der interessantesten Gegenstände, die man in Italien be¬
sehen kann, ist die ausgegrabene Stadt Pompeji. Wie durch Zauber
wird man aus der Gegenwart in die ferne Vorzeit, aus dem neun¬
zehnten Jahrhundert in das erste Jahrhundert der christlichen Zeit- 5
rechnung versetzt. Die Zeit, die Völkerwanderungen und die Kunst-
Puls, Lesebuch V. 2. Ausl. 22