Hauff. Heine.
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Du nennst mich Doktor ? - wohl, es sei!
Doch wisse, die Anatomei
Zst mir nicht eben so bekannt,
Wie sonst Doktoren hie zu Land;
Und weilstch dies nicht lerntim Schlaf,
Will ich es lernen hie am Schaf;
Des armen Schülers dich erbarm',
Und nenn ihm alles, Darm für Darm,
Und Bein für Bein, und Haut
für Haut,
Milz, Leber, Magen, wie man's schaut
Am Schafe, nenn' mir alles laut,
Auch Herz und Nieren, Stück für
Stück,
Und sag' von jedem, wie man's drück'
Mit seinem rechten Namen aus!"
Ein solches thut der Fleischer Klaus
Er nennet alles, wie er's weiß,
Und Luther höret zu mit Fleiß
Und merkt sich alles wohl und gut,
Wie's kaum ein Studiosus thut.
Und als von der Anatomei
Die Lektion war bald vorbei,
Dankt er dem Fleischer freundlich gar,
Läßt reichen einen Trank ihm dar.
Er aber kehrt zum Bibelbuch
Zurück, damit er gleich versuch',
Zu nennen alles härchenklein,
Grad' eben wie's genannt sollt' sein.
Und fertigt den Leviticus
Aus einem Gusse bis zum Schluß.
Wilhelm Häuft.
63. Reiters Morgengesang.
(1824.)
Morgenrot!
Leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen,
Dann muß ich mein Leben lassen,
Ich und mancher Kamerad.
Kaum gedacht.
War der Lust ein End' gemacht.
Gestern noch auf stolzen Rossen,
Heute durch die Brust geschossen,
Morgen in das kühle Grab!
Ach, wie bald
Schwindet Schönheit und Gestalt!
Thust du stolz mit deinen Wangen,*)
Die mit Milch und Purpur prangen?
Ach, die Rosen welken all!
Darum still
Füg' ich mich, wie Gott es will.
Nun, so will ich tapfer streiten;
Und sollt' ich den Tod erleiden,
Stirbt ein braver Reitersmann.
Heinrich Heine.
64. Selsazar.
(1822.)
Die Mitternacht zog näher schon; Nur oben in des Königs Schloß
In stummer Ruh' lag Babylon. Da flackert's, da lärmt des Königs
Troß. —
*) Zn veränderter Form: Prahlst du gleich mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen.
Nr. Otto, Auswahl deutscher Gedichte.
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