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48. Dieweil der herre Siegfried nun über dem Bronnen trank,
Schoß Hagen nach dem Kreuze; aus tiefer Wunde sprang
Das Blut von Siegfrieds herzen bis an Hägens Hemd.
Gottlob, so große Untat ist edlen Helden jetzo fremd.
49. Stecken ließ Herr Hagen im herzen ihm den Ger.
So zagen Laufes floh er vor keinem andern mehr
Ruf der ganzen Erde, wie vor dem wunden Mann,
Rls der edle Siegfried der tiefen Wunde sich besann.
so. Der Recke fuhr mit Toben vom Bronnenrand empor.
Ihm ragte zwischen den Schultern ein Gerschaft lang hervor.
Der Fürst vermeinte zu finden Bogen oder Schwert;
Fürwahr, so wäre Hagen nach seinem Dienst der Lohn beschert.
51. Dieweil der Todeswunde sein Schwert mit Nichten fand,
So hatt' er sonst nichts weiter als seines Schildes Rand.
Den riß er auf vom Bronnen; dann lief er Hagen an.
Ihm konnte nicht entrinnen der ungetreue, grimme Mann.
52. Wohl war er wund zum Sterben, doch also hieb er ein,
Daß aus dem Schild ihm sprühte gar mancher Edelstein
Und ihm zuletzt in Händen der ganze Schild zerbrast.
Gern hätt' er Rache genommen, der hochgemute, stolze Gast.
53. Hagen sank zu Boden vor seines Rrmes Wucht.
von der Macht der Streiche scholl Werder, Wald und Schlucht,
war ihm das Schwert zuhanden, so war es Hägens Tod.
Mit Müh' entging der Recke der allergrößten Rngst und Rot.
54. Die Kraft war jenem entwichen, er konnte nicht mehr stehn;
Seines Leibes Stärke, wohl mußte sie vergehn,
Dieweil er des Todes Zeichen in bleicher Farbe trug.
Bald ward er von schönen Frauen bejammert und beweint genug.
55. Rieder in die Blumen sank Kriemhildens Mann,
Dieweil aus seiner Wunde das Blut in Strömen rann.
Da begann er die zu schelten im Zwang der bittern Not,
Die in falschen Treuen angestiftet seinen Tod.
56. Da sprach der Todeswunde: „weh, feige Buben, weh!
Dienste mit Mord zu lohnen! Ich hals euch je und je.
Ich hielt euch stets die Treue. Run ernt' ich diesen Sold!
Ihr zeigt an eurer Sippe euch bitterwenig lieb und hold.