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3. Und wer dir seine Brust er¬
schließt,
(D tu ihm, was du kannst, zu lieb!
Und mach' ihm jede Stunde froh,
Und mach' ihm keine Stunde trüb!
4. Und hüte deine Zunge wohl,
Bald ist ein böses Wort gesagt!
G Gott, es war nicht bös gemeint, —
Der andre aber geht und klagt.
5. (D lieb', solang du lieben kannst!
G lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde
kommt,
£ o du an Gräbern stehst und klagst!
6. Dann kniest du nieder an der
Gruft
Und birgst die Bugen, trüb und naß,
— Sie sehn den andern nimmer¬
mehr —
Ins lange, feuchte Kirchhofsgras
7. Und sprichst: „G schau' auf mich
herab,
Der hier an deinem Grabe weint!
vergib, daß ich gekränkt dich hab',
G Gott, es war nicht bös gemeint!"
8. Er aber sieht und hört dich nicht,
Kommt nicht, daß du ihn froh um¬
fängst,'
Der Mund, der oft dich küßte, spricht
Nie wieder: Sch vergab dir längst!
9. Tr tat's, vergab dir lange schon,
Doch manche heiße Träne fiel
Um dich und um dein herbes
Wort, —
Doch still — er ruht, er ist am Ziel!
10. G lieb', solang du lieben kannst!
G lieb', solang du lieben magst!
Die Stunde kommt, die Stunde
kommt,
wo du an Gräbern stehst und klagst!
2. 5ln Wolfgang im Felde.
1. Daß bald dies Blatt sich finde,
Wohl wünsch' ich's, lieber Sohn!
D.rum werf' ich's in die winde,
Die bringen es dir schon.
Die werden es zu dir tragen,
wo immer auch du weilst;
wo, wenn die Schlacht sie schlagen,
Du treu zur Walstatt eilst.
2. Du wolltest im heil'gen Kampfe
Mitkämpfen, Deutschlands wert,'
Nun stehst du im Pulverdampse,
Doch ziehst du nicht das Schwert.
Nun übst du im Gefilde,
Statt mitzuhaun im Streit,
Tin Bmt der Sieb' und Milde,
Tin Bmt der Menschlichkeit.
3. Dich trieb dein herz, das warme,
Ñus England trieb's dich her,'
Das rote Kreuz am Ñrme,
Bist du gefolgt dem Heer.
Die bleich und unverbunden
Ñm blut'gen Boden ruhn,
Die Sterbenden, die Wunden
Erquickst du freundlich nun;
4. Träufst Labung auf die Lippe,
Die dürr und brennend lechzt;
Legst weicher ins Gestrüppe
Die Brust, die fliegend ächzt;
hörst manches letzte Stehen
Im Nachtwind leis verwehn;
Der Mond lugt über die höhen, —
Und du wirst sterben sehn.