Das Land der Griechen.
21
deren Klima sich ein reicheres öffentliches Leben entfalten konnte
als bei uns, wo der lange Winter das Leben in der stillen Häuslichkeit
begünstigt; man mag auch gern annehmen, daß die mannigfaltige
Schönheit der Landschaft, die Meer und Hochgebirge vereint,
dazu die Heiterkeit des Himmels, wie sie einem im Sommer regenarmen
Lande eigen ist, die Klarheit der Luft, die auch das Ferne in klaren
Umrissen zeichne^ auf den Schönheitssinn und den Charakter der Be-
wohner eingewirkt hat. Die Hauptsache ist doch, daß ein V o l k in diese
Lande einzog, das mit den höchsten Gaben des Körpers und des Geistes
ausgerüstet war: ein Volk, ebenso ausgezeichnet durch Klarheit in der
Auffassung der äußeren Welt — daher das Volk der großen Künstler
— wie durch Klarheit im Denken — daher das Volk der tiefen Denker —,
ein Volk endlich, dessen beste Männer in sittlicher Beziehung ruhige
Klarheit der Seele, Selbstbeherrschung und Mäßigung als die höchste
Tugend schätzten.
§ 14. Das griechische Festland zerfällt in drei Teile: Nordgriechen-
land, Mittelgriechenland und den Peloponnes.
Nordgriechenland, nach Süden etwa bis zu einer Liniegd5°ernbl'anb
reichend, die den Meerbusen von Ambrakia mit dem von Malis ber*
bindet, zerfällt in die durch die Bergzüge des Pindus boneinander ge¬
trennten Landschaften Epirus und Thessalien. E p i r u s ist gebirgig,
das Land der Molosser und anderer Stämme, bon griechischer Kultur
lange kaum berührt, aber im Besitze des uralten Zeusorakels bon Do-
bona; ihm ist Kerkyra borgelagert, das man für das homerische Scheria,
die Phäakemnsel, hielt.
Thessalien besteht zunächst aus der bort Gebirgen umschlossenen,
durch Rossezucht berühmten Ebene, die der Peneios durchfließt, und
deren Hauptort Larissa war. Im Norden und Osten erheben sich der
3000 m hohe Olymp, Ossa und Pelion; zwischen den beiden ersten hat
sich der Peneios in dem schonen Tempetal Bahn nach dem Meere ge¬
brochen. Die Halbinsel Magnesia umschließt den pagasäischen Golf; auch
das Tal des Spercheios, der in den malischen Golf einströmt, des
Heimatflufses des Achilleus, rechnete man zu Thessalien.
Mittelgriechenlanb ist in seiner westlichen Hälfte ebenfalls Mittet,
ein rauhes Gebirgsland, das erst in der letzten Zeit der griechischen Ge- 9rie<*enIanö
schichte Politische Bedeutung gewann. Die westlichste Landschaft ist A k a r -
n a n t e n, dem die Inseln Leukas, Jthaka und Kephallenia borgelagert
sind, durch den Acheloos getrennt bon Ätolien; an dieses schließt