Full text: [Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 3 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

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Dieweil nach allen Nöten ihm der als Heind erstand, 
Man nennt es noch ein lVunder, daß jener hier den Tod nicht fand. 
38. Beider Kraft und Stärke war Übermaßen groß; 
Palast und Türme dröhnten von manchem Schlag und Stoß, 
Den ihre Schwerter führten wider Helm und Schild. 
Wohl erwies sich Günther als ein rechtes Heldenbild. 
34. Da zwang ihn der von Verne, wie jüngst dem Tronjer geschah, 
hei, wie durch Günthers Ringe das Blut man fließen sah! 
Das schuf in Dietrichs Händen ein wunderscharfes Schwert; 
Doch hatte trotz Ermüdung gar preislich Günther sich gewehrt. 
40. Der Necke ward gebunden von Dietrichs eigner Hand. 
Nie sollten Nönigsglieder erdulden solches Band; 
Doch dacht' er: „Läßt du ledig den König und seinen Mann, 
So kommt im heunenlande vor ihnen keiner heil vondann." 
41. Der edle Vogt von Berne nahm Günthern bei der Hand; 
Er führte zu Kriemhilden, den strenge Fessel band. 
Gb ihres Bruders Leide schwand ihr Kummer schier. 
„König Günther", sprach sie, „willkommen, hochwillkommen hier!" 
42. Er sprach: „Ich sollt' Euch danken, vieledle Schwester mein, 
Möchte gnadenreicher Euer Gruß nur sein. 
Doch weiß ich so grimmgemut Luch, hohe Königin, 
Daß ich für mich und Hagen gefaßt auf schlechten Willkomm bin." 
43. Da sprach der Held von Berne: „Fürstin hoch und hehr, 
So gute Bitter wurden nie Geiseln noch bisher, 
Wie ich nun, edle Herrin, Euch gab in diesem paar; 
Den Brmen zählt's zu gute, daß Dietrich einst ihr herzfreund war." 
44. Sie sprach: „Das will ich gerne." Da ging der kühne Mann 
Mit Tränen in den Bugen alsogleich vondann. 
Bald rächte sich voll Grimmes König Etzels Weib, 
Sie nahm den Degen in Bälde, den auserwählten, Leben und Leib. 
45. Sie ließ getrennt sie liegen zur Mehrung ihrer Oual; 
Keiner sah den andern auch nur ein einzig Mal. 
Wohl hatte sie's verschworen, doch sprach das edle Weib: 
„heut endlich mag ich rächen meines teuren Mannes Leib." 
qo. Sie ging wohl zu der Stätte, wo sie Hagen fand. 
In vollem Ingrimm sprach sie zum Necken allzuhand: 
„Was Ihr mir einst genommen, gebt mir das heraus! 
Dann kommet Ihr lebendig wohl noch zurück nach heim und Haus." 
Deutsches Lesebuch für Realschulen. III. 3
	        
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